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Originalton Elke Kahr

Standard.at hat die KPÖ-Stadträtin interviewt

Graz: Spekulation über KP-Bürgermeisterin "wirklich unseriös"

Die kommunistische Grazer Spitzenkandidatin Elke Kahr über Gratis-Öffis, Mietpreisstopp und Stronach

Vor dem Interview kommt eine junge Frau in das Büro der Grazer Wohnungsstadträtin und KPÖ-Spitzenkandidatin Elke Kahr. Die Besucherin ist höchstens 20 Jahre alt, laut eigenen Angaben ohne Einkommen und seit kurzem wohnungslos. Kahrs Büro telefoniert mit diversen Stellen, vereinbart einen Termin beim Sozialamt für die Beantragung der Mindesthilfe, und organisiert ein Zimmer im Wohnungslosenheim "Haus Rosalie".

derStandard.at: Frau Kahr, ist es üblich, dass die Menschen außerhalb der Sprechstundenzeiten zu Ihnen kommen?

Kahr: Ja, das ist immer so - wobei es heute ruhiger ist. Ich kenne es nicht anders. Egal, wer kommt, mit welchen Anliegen, mir war immer wichtig, dass man sich das anhört und das Gefühl gibt, man bemüht sich zumindest.

derStandard.at: In den letzten Tagen ist viel spekuliert worden, dass es eine Bürgermeisterin Elke Kahr geben konnte.

Kahr: Das ist doch unrealistisch. Das ist Wahlkampfgetöse.

derStandard.at: Wie auch immer: Wären Sie Bürgermeisterin, dann hätten Sie für diesen ausgeprägten direkten Kontakt mit den Menschen wohl nicht mehr so viel Zeit.

Kahr: Doch, natürlich. Aber vorweg: Das ist reine Spekulation, und diese Spielereien sind nicht ernstzunehmen. Ich finde das wirklich unseriös, bevor der Wahltag da ist, solche Spekulationen anzustellen. Das stößt die Leute ab. Und zu Ihrer Frage: Dass man als Bürgermeister so viel anderes zu tun hat und keine Zeit mehr für den Kontakt mit den Bürgern, daran glaube ich nicht. Denn erstens hat man Ämter - die Bediensteten der Stadt Graz arbeiten wirklich nicht schlecht, ich muss halt Vertrauen in sie haben. Und man muss nicht bei jeden Seitenblicke-Trara dabei sein, das wird jeder verstehen. Aber noch einmal: Sie dürfen mir das nicht in den Mund legen, dass ich Bürgermeisterin werden will.

derStandard.at: Dass Sie Bürgermeisterin werden könnten, kam von Ihrer Konkurrenz - beispielsweise von der Grünen Spitzenkandidatin Lisa Rücker.

Kahr: Ja, das ist reine Wahltaktik, sonst gar nichts.

derStandard.at: Wohnen ist Ihr zentrales Thema im Wahlkampf. Wenn Sie einen zweiten Stadtratsposten bekämen - war wäre denn Ihr Herzensthema Nummer zwei?

Kahr: Es gibt kein Ressort, das uninteressant ist - egal, ob Bildung, Gesundheit oder Soziales. Wichtig ist, nichts zu versprechen, was man nachher nicht halten kann. Wir wissen, dass Graz eine angespannte Budgetsituation hat, deshalb kann man da nicht übers Ziel hinausschießen. Die Kommunisten sind eine Weltanschauungspartei, wir haben hohe Ziele, aber ich muss auch in der Lage sein, sie umzusetzen.

derStandard.at: Die Grünen in Wien haben mit ihrer Forderung nach einem Mietkostenstopp für Aufregung gesorgt - würden Sie das unterstützen?

Kahr: Man muss umgekehrt sagen: Die Grünen unterstützen eine Forderung, die wir schon seit 20 Jahren stellen. Es war immer unser Ziel, dass man für alle Wohnungen festgelegte Kategoriemietzins-Obergrenzen hat. Wobei: Sieben Euro, das muss man auch dazusagen, ist viel. Da geht es ja um die Nettomiete, da kommen ja Betriebskosten und das Heizen noch dazu. Kein einziger Mieter, der zu uns kommt, könnte sich so etwas leisten. Da hat die Frau Vassilakou vielleicht weniger mit einkommensschwachen Leuten zu tun. Dazu kommt: Ohne, dass die Mittel für den Gemeindewohnbau angehoben werden, wird das auch nichts helfen. Und wir sind für die Abschaffung des Richtwertesystems. Jeder, der ein Haus verwaltet, wird Ihnen sagen: Das System ist undurchschaubar. In jedem Bundesland ist es anders, und mit den Zu- und Abschlägen kennen sich oft nicht einmal Mietrechtsexperten mehr aus.

derStandard.at: Die Menschen wissen, was sie sich von Ihnen in punkto Wohnpolitik erwarten können. Was darf man sich erwarten, wenn die Grazer KPÖ beispielsweise für Bildung zuständig ist?

Kahr: Die Gesamtschule wäre ein großes Anliegen, aber das ist ja nicht Gemeindekompetenz. Gratis-Lernhilfe wäre dringend notwendig. Ich sehe ja, was Eltern für Nachhilfe ausgeben. Und es braucht mehr Schulpsychologen und Zusatzlehrer in problematischen Gebieten, am rechten Murufer - das ist zwar Landessache, aber ich glaube, wenn alle Parteien an einem Strang ziehen würden, dann könnten wir uns schon Gehör verschaffen. Graz ist zwar keine Weltmetropole, aber auch keine Micky-Maus-Stadt.

derStandard.at: Sie fordern Gratis-Öffis. Wie wollen Sie die finanzieren?

Kahr: Mit einer Art U-Bahn-Steuer, wie in Wien. Das schienengebundene Netz in Wien ist vorbildlich ausgebaut, da gibt es nichts schlechtzureden.

derStandard.at: Die Öffis in Wien sind aber alles andere als gratis.

Kahr: Bei uns in Graz auch nicht - wir haben aber noch dazu ein schlecht ausgebautes Netz. In Wien wird der Großteil der Einnahmen für den Netzausbau verwendet, und nicht für die Stützung der Preise. Mit einer Nahverkehrsabgabe könnte man in Graz Riesenschritte machen. Und größere Ausbaumaßnahmen wird man sowieso nie ohne Unterstützung durch andere Gebietskörperschaften schaffen.

derStandard.at: Sie fordern den Stopp weiterer Privatisierungen. Würden Sie auch einen Schritt weiter gehen und privates Eigentum wieder in Stadteigentum zurückführen?

Kahr: Natürlich. Aber da sind wir auf einsamer Flur, da werden wir nie eine Mehrheit zusammenkriegen. Ich würde die Wirtschaftsbetriebe - also Müllabfuhr, Straßenreinigung, Grünraumabteilung und so weiter - wieder rückführen. Zumindest so weit, dass sie als Eigenbetrieb außerhalb der Holding geführt werden. Es ist ja überhaupt nicht gesagt, dass Betriebe, die im öffentlichen Eigentum stehen, schlechter arbeiten als private. Wenn man da auf ein, zwei Standbeine setzen würde, hätte man auch wieder Einnahmen - und müsste nicht, wie es jetzt passiert, bei Infratstruktur sparen.

Wichtig ist auch, dass die Entscheidung über Gebühren nicht aus der Hoheit des Gemeinderats genommen werden. Das ist letztes Jahr im Dezember beschlossen worden: Jetzt werden die Gebühren automatisch jedes Jahr nach dem Index angehoben, und das muss gar nicht mehr in den Gemeinderat. Die Entscheidungsbefugnis ist den Mandataren entzogen worden, das ist demokratiepolitisch sehr bedenklich. Wenn es viel schneit, rufen die Leute bei uns an: "Könnte ihr nicht endlich bei uns räumen?" Da kann jetzt kein Gemeinderat in der Gemeinderatssitzung mehr fragen, was da los ist - weil dann heißt es: "Das ist übertragener Wirkungsbereich, das ist ausgelagert." Du könntest nur theoretisch eine Anfrage an den Bürgermeister stellen und ihn bitten, dass er bei der nächsten Aufsichtsratssitzung fragt, was da los ist.

derStandard.at: Graz gilt als "Stadt der Verbote". Welche Verbote würden Sie als erste abschaffen?

Kahr: Natürlich das Bettelverbot und das Alkoholverbot in der Innenstadt, das ist ein Witz. Man muss die Armut bekämpfen, und nicht die Armen. Ich kenne ja die meisten Alkoholiker am berühmten "Billa-Eck" beim Hauptplatz, und ich kenne ihren Hintergrund. Das hat gar nichts mit Punks zu tun. Und es ist lächerlich: Jetzt ist Weihnachtsmarkt, und da werden ein paar Meter daneben Glühwein, Punsch und noch viel härtere Getränke verkauft als die paar Bier, die diese Leute am Billa-Eck konsumieren. Diese Verbote sind schäbig.

derStandard.at: Sie haben die angespannte budgetäre Situation in Graz angesprochen. Wo würden Sie sparen?

Kahr: Konkretes Beispiel: Keine 900.000 Euro Subvention für den Raiffeisen-Hof im Grazer Westen. Das ist ein Veranstaltungszentrum, das dem Raiffeisenkonzern gehört. Wenn man schon meint, dass man das subventionieren muss, dann reichen auch 10.000 Euro. Es gibt auch verkehrspolitische Projekte, die ich einsparen würde. Der Shared Space am Sonnenfelsplatz ist keine prioritäre Maßnahme. Das ist zwar eine gute Idee, und wir hätten auch fast zugestimmt, aber dann haben wir gesehen, wie viel das kostet: mindestens 700.000 Euro. Wenn man weiß, dass in vielen Stadtteilen, die eh unterversorgt und benachteiligt sind, noch zig Wartehäusln fehlen, dann ist das für mich ein Missverhältnis. Ich muss erst immer meine Pflichten erledigen. Und wenn mir dann noch Geld bleibt, kann man solche Projekte angehen. Und außerdem würde ich bei Prestigeprojekten sparen.

derStandard.at: Welche Prestigeprojekte meinen Sie?

Kahr: Die Grazer Messe hätte man nicht kaufen müssen. Das hätte auch ein Privater machen können.

derStandard.at: Hier sind Sie dann doch für Privatisierungen?

Kahr: Natürlich. Ich kaufe als Stadt doch nicht ein bankrottes Unternehmen auf. Ich muss es dann ja eh wieder verkaufen, und habe Kosten in Milliardenhöhe, und zwar dauerhaft. Das ist ein Irrsinn.

derStandard.at: Was glauben Sie: Wählen die Menschen Sie, weil Sie Kommunistin sind, oder obwohl Sie Kommunistin sind?

Kahr: Beides wird zutreffen. Wir haben uns als Partei schon ein gewisses Vertrauen erarbeitet, das sehen wir auch bei Landtags- und Nationalratswahlen. Und sonst - wir sind viele Leute, und jeder von uns hat Menschen, die ihm vertrauen.

derStandard.at: Es gibt einige Menschen, die sich wohl nie als kommunistisch bezeichnen würden, aber KPÖ wählen, weil ihnen das Team gut gefällt. Könnte man sagen, es ist austauschbar, für welche Partei Sie mit Ihrem Team kandidieren?

Kahr: Eben nicht. Ich glaube, dass man die Politik, wie wir sie machen, nur in der KPÖ machen kann. Weil wir unabhängig sind. Wir sind niemandem verpflichtet - keinen Versicherungen, Banken, Lobbyisten. Unsere Forderung nach öffentlichem Eigentum - so etwas geht nur in der KPÖ. Es gibt keine andere Partei mehr, die das so konsequent verteidigt, leider. Es ist einfach wichtig, dass es eine politische Bewegung gibt, die sagt: Gesundheit, Bildung, die Daseinsvorsorge müssen in öffentlicher Hand bleiben. Damit niemand auf der Strecke bleibt. Das wird nur in der KPÖ so offen gesagt.

derStandard.at: Sie sagen, Sie entsprechen nicht dem klassischen PolitikerInnen-Bild. Auch Frank Stronach sagt das. Wird er erfolgreich sein?

Kahr: Stronach vertritt die Konzerne, wir die Arbeitnehmer. Er ist Multimilliardär. Natürlich kommt diese Tellerwäscher-Mentalität bei den Leuten gut an, und er hat ja auch Unterhaltungswert. Ein älterer Herr, der auf lustige Weise Dinge anspricht, die sich die Leute auch denken. Aber man muss wissen: Er ist Vertreter des Großkapitals. Wenn da irgendein Arbeiter oder eine Angestellte glaubt, er wird für Löhne und Gehälter kämpfen, dann sage ich: Im Gegenteil. Er wird der beste Bündnispartner der ÖVP sein.

derStandard.at: Manche sehen in Österreich eine "leistungsfeindliche" Gesellschaft, und sie meinen, dass jemand wie Stronach, der ein großes Unternehmen aufgebaut hat, dem Land ganz gut tue. Wie sehen Sie das?

Kahr: Ja, das sagen die, die selber auf die Butterseite gefallen sind. Schauen Sie: Man kann jeden hochspielen. Das tun die Medien gerade bei uns, und eben beim Herrn Stronach. Aber man muss das herunterbrechen auf das, was es wirklich ist. Und Faktum ist: Er ist Vertreter des Großkapitals. Er hat sicher viel geleistet und hat es auch nicht einfach gehabt. Sein Stiefvater war übrigens Kommunist - das ist der einzige Pluspunkt an ihm, dass er das wenigstens nicht leugnet. Deswegen hat er vielleicht eine gewisse Rhetorik, die einfache Leute gut verstehen. Es ist legitim, dass er antritt. Aber ich weiß aus Gesprächen mit Kollegen vom Puch- und Magna-Werk, wie dort die Realität für die Beschäftigten ausgeschaut hat. Dort wollte er sogar den Betriebsrat aushebeln.

derStandard.at: Die Grazer ÖVP warnt vor dem "Chaos", das drohe, wenn KPÖ und Grüne zu stark werden. Wird er mit dieser Angstpropaganda Erfolg haben?

Kahr: Die ÖVP hat 2005 bei Ernest Kaltenegger genau dasselbe gemacht. Damals haben wir Pickerl aufgeklebt "Fürchtet euch nicht". Vielleicht packen wir die jetzt wieder aus. (Maria Sterkl, derStandard.at, 24.11.2012)

Elke Kahr

ist seit 1993 KPÖ-Gemeinderätin in Graz. Im Jahr 2005 trat sie die Nachfolge Ernest Kalteneggers an der Spitze der KPÖ an, seither ist die Bankangestellte Wohnungsstadträtin in der steirischen Landeshauptstadt.

Veröffentlicht: 24. November 2012

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