Der Angehörigenbonus in der Praxis

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Grundsätzlich ist es positiv, dass es eine monetäre Anerkennung für pflegende Angehörige gibt, denn wie jede andere Form der bisher unbezahlten Care-Arbeit, handelt es sich auch hierbei um Arbeit. Pflegende Angehörige bilden in vielen Situationen eine wichtige Grundlage, um häusliche Pflege langfristig zu ermöglichen. Sie ersetzen natürlich keine professionelle Pflege, wie z.B. die mobilen Dienste, füllen aber all jene Lücken, die professionelle Pflegedienste auf Grund von Kapazitätsgründen etc. gar nicht leisten können. Denn bei den meisten pflegebedürftigen Personen mit Pflegestufe 4 oder höher, reicht es nicht, dass morgens und abends die Hauskrankenpflege vorbeikommt, eine dauerhafte Anwesenheit einer Pflegeperson oder zumindest die Bereitschaft schnell kommen zu können ist unumgänglich. Eine 24-Stunden-Betreuung, die pflegende Angehörige in dieser Hinsicht bis zu einem gewissen Grad ersetzen könnte, ist für viele Menschen in Österreich schlichtweg nicht leistbar.

Dadurch, dass viele pflegende Angehörige (vor allem Frauen) nur ein geringes eigenes Einkommen haben, wird der Angehörigenbonus gerne beantragt. Bei einem geringen Einkommen macht jede Möglichkeit, etwas dazu zu verdienen, einen Unterschied. Trotzdem muss erwähnt werden, dass der Bonus mit 125 € eher ein „Taschengeld“ als ein Einkommen darstellt. Dabei kämpfen viele mit herben finanziellen Einbußen, die in vielen Fällen durch die Angehörigenpflege in Kauf genommen werden. Gerade bei langandauerndem Pflegeaufwand, wenn Leistungen wie das Pflegekarenzgeld ausgeschöpft wurden, können die Mindereinnahmen durch die Bonuszahlungen nicht annähernd ausgeglichen werden. Und auch wenn durch die häusliche Pflege keine finanziellen Einbußen gemacht werden, weil z.B. der oder die pflegende Angehörige selbst schon Pension bezieht, stellen 125 € keine angemessene Abgeltung einer Tätigkeit, die sowohl körperlich als auch auf psychosozialer Ebene anstrengend ist, und einen großen Lernaufwand mit sich bringt.

Zu hinterfragen ist auch die Regelung, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung die häusliche Pflege seit mindestens einem Jahr geleistet werden muss. Gerade im Palliativbereich oder nach Akutgeschehen ist eine rasche Zunahme des Pflegeaufwands durch sehr sprunghafte Verschlechterungen des Allgemeinzustands keine Seltenheit. Ob ein Angehörigenbonus gewährt wird, sollte am aktuellen Pflegeaufwand gemessen werden und nicht am vergangenen.

Grundsätzlich positiv ist, dass der Kreis der anspruchsberechtigten Angehörigen relativ groß ist. Leider gibt es aber auch hier wieder eine Schlechterstellung von nahestehenden Personen, die nicht zum klassischen Angehörigenkreis zählen. Dass nichtverwandte Personen seit mindestens 10 Monaten im selben Haushalt leben und in dieser Zeit die Haushaltsführung unentgeltlich übernehmen müssen ist schlichtweg nicht gerechtfertigt. Mehr und mehr nichtverwandte Personen wie z.B. Freund_innen, Nachbar_innen oder v.a. in queeren Communities die sogenannten Wahlfamilien, übernehmen Pflege und Betreuung zu Hause. Dies muss unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis, Beziehungsstatus und Haushaltsarbeit gewürdigt werden.

Der Angehörigenbonus ist wie viele von der Regierung beschlossenen Neuerungen im Gesundheitsbereich ein kleines Pflaster, womit versucht wird eine riesige Wunde zu versorgen. Natürlich ist es wichtig, pflegende Angehörige, neben immer lauter werdenden, berechtigten Rufen nach Verbesserungen für in der professionellen Pflege tätige Personen, nicht zu vergessen. Mit dem Angehörigenbonus gelingt dies jedoch nicht. Stattdessen wird einmal mehr das Signal gesendet, dass wer Care-Arbeit, selbst wenn sie rund um die Uhr erfolgt, nicht mehr als ein Taschengeld verdient.

Die wichtigsten Informationen zum Angehörigenbonus:

Anspruchsberechtigt sind pflegende Angehörige, deren pflegebedürftige nahen Angehörige mindestens Pflegestufe 4 beziehen sofern sie in eine der zwei folgenden Kategorien fallen:

  • Häusliche Pflege erfolgt seit mindestens einem Jahr überwiegend und Einkommen der oder des pflegenden Angehörigen ist unter 1.500 € netto pro Monat
  • Der oder die pflegende Angehörige ist in der Pensionsversicherung wegen der Pflege eines nahen Angehörigen oder eines behinderten Kindes selbst- oder weiterversichert.

Personen die auf Grund ihres Einkommens anspruchsberechtigt sind, müssen einen Antrag bei jener Pensionsversicherungsanstalt, von der die pflegebedürftige Person ihr Pflegegeld bezieht, stellen. Personen die als pflegende Angehörige versichert sind, bekommen den Bonus automatisch ausgezahlt.

Die Höhe der monatlichen Bonuszahlungen beträgt unabhängig vom Pflegeaufwand 125 €. Der Angehörigenbonus ist steuerfrei, unpfändbar und wird nicht auf andere Sozial-Transferleistungen angerechnet. Er gebührt pro zu pflegenden Person und pro pflegender Person nur einmal. Auch wenn der Pflegeaufwand so hoch ist, dass mehrere pflegenden Angehörige erforderlich sind, oder wenn eine Person mehrere Angehörige pflegt wird der Bonus nur einmal gewährt.

Laut derzeitigem Stand wird der Bonus ab Jänner 2024 monatlich auf das Konto der oder des pflegenden Angehörigen ausgezahlt. Die bis dahin zustehenden Bonuszahlungen von Juli bis Dezember 2023 werden im Dezember gesammelt angewiesen.

Zum Kreis der anspruchsberechtigten nahen Angehörigen, zählen folgende Personen:

  • Ehegatt_innen und eingetragen Partner_innen
  • Lebensgefährt_innen
  • Eltern, Großeltern, Kinder, Enkelkinder sowie weitere Personen, die mit der zu pflegenden Person in gerader Linie verwandt sind
  • Wahl-, Stief- und Pflegekinder
  • Wahl-, Stief- und Pflegeeltern
  • Geschwister, Neffe, Nichte, Onkel, Tante, Cousin, Cousine sowie weitere Personen, die bis zum vierten Grad in der Seitenlinie verwandt sind
  • Schwiegerkinder, Schwiegereltern, Schwager, Schwägerin sowie weitere verschwägerte Personen in gerader Linie und in der Seitenlinie bis zum vierten Grad
  • mit der zu pflegenden Person nicht verwandte Personen, die seit mindestens zehn Monaten im gemeinsamen Haushalt leben und seit dieser Zeit unentgeltlich den Haushalt führen, wenn ein im gemeinsamen Haushalt lebende arbeitsfähiger Ehepartner_innen oder eingetragener Partner_innen nicht vorhanden sind

Veröffentlicht: 25. September 2023