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"In Graz wird kein Chaos ausbrechen"

Elke Kahr im Interview mit den Salzburger Nachrichten

„Wollen keine Palastrevolution“

Wahlsiegerin. Elke Kahr von der Grazer KPÖ schließt eine Koalition mit der ÖVP aus. Vor Kommunisten brauche man sich nicht fürchten, Siegfried Nagl habe „monarchistisch“ agiert.

Martin Behr Dutzende Gratulanten via Telefon, Hunderte Glückwunsch-E-Mails, Schulterklopfen im Rathaus, die Interviewpartner standen Schlange: Die Grazer KPÖ-Chefin Elke Kahr durfte Montag ihren Wahlsieg voll auskosten. Im Büro der Kommunistin, deren Partei Sonntag mit letztlich 19,9 Prozent zur zweitstärksten Kraft hinter der ÖVP aufgestiegen ist, hängt ein großformatiges Porträt Bertha von Suttners, in einem Regal befinden sich ein roter Stern in Polsterform sowie eine handliche Hammer-und-Sichel-Skulptur.

Ihr Wahlerfolg vom Sonntag hat dazu geführt, dass nur die unrealistische Zweierkoalition ÖVP-KPÖ möglich wäre. Ist Graz nun, wie einige Kommentatoren behaupten, „unregierbar“ geworden?

Kahr: Natürlich nicht. Da ist der Wunsch Vater des Gedankens. Tatsache ist, dass viele Grazer mit den Inhalten der anderen Parteien, ÖVP, Grüne und SPÖ, nicht einverstanden waren. Sonst wären nicht so viele zu uns übergelaufen. Nun versuchen wir, die anderen von unseren Haltungen zu überzeugen. Und je nachdem sind dann Bereichskoalitionen möglich. Bei verschiedenen Themen mit verschiedenen Partnern. Das kann auch eine Belebung der Demokratie bedeuten. In Graz wird kein Chaos ausbrechen.

Eine fixe Koalition wollen Sie aber nicht eingehen?

Kahr: Mit der von Siegfried Nagl angeführten ÖVP? Nein. Das heißt, ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich in unsere Richtung bewegt oder bewegen darf. Wir sind nicht so stur, dass wir nie und nimmer eine Koalition eingehen wollen. Aber wir wollen jene, die uns gewählt haben, auch nicht vor den Kopf stoßen. Und die ÖVP sucht sich immer nur Partner, die dann das umsetzen sollen, was die ÖVP will. Da machen wir nicht mit.

Es gibt nicht wenige, die haben mit einer kommunistischen Partei generell Probleme. Denken Sie über eine Namensänderung nach? Wäre mit einer modernen Linkspartei noch mehr zu holen?

Kahr: Die Ressentiments und Ängste haben vor allem jene, die keine konkreten Erfahrungen mit der Grazer KPÖ haben. Vor uns muss sich niemand fürchten. Wir wollen keine Besitzenden enteignen, streben keine Palastrevolution an. Uns geht es um ein glaubwürdiges, praxisbezogenes Handeln für die Bürger. Eine Umbenennung wäre ein wahltaktischer Etikettenschwindel und kein Garant für mehr Zustimmung.

Wie sind Sie zum Kommunismus gekommen?

Kahr: Ich hatte schon als Jugendliche gewisse politische Vorstellungen. Die Leute haben dann zu mir gesagt: „Du redest ja wie eine Kommunistin.“ Da bin ich dann neugierig geworden, wer diese Kommunisten eigentlich sind. Später, im Jahr 1983, bin ich dann der Partei beigetreten.

Sind 20 Prozent für die KPÖ in Graz der Zenit? Gibt es noch Spielraum nach oben beziehungsweise: Wollen Sie Bürgermeisterin werden?

Kahr: Ämter und Positionen sind nicht so wichtig. Uns geht es um die Inhalte. Wir wollen den Ärmeren wieder Hoffnung und auch die Würde wieder zurückgeben. Ob mehr möglich ist? Schwierig. Wir haben kein politisches Hinterland, keine anonymen Investoren und Geldgeber. Wichtig ist, dass wir jetzt nicht übermütig werden und mit der gestiegenen Verantwortung klug und behutsam umgehen. Mit Abstand stärkste Partei ist immer noch die ÖVP.

Wie erklären Sie sich die Stimmeneinbußen des ÖVP-Bürgermeisters Siegfried Nagl, der ja die absolute Mehrheit wollte?

Kahr: Er hat zu hoch gepokert und das war der Bevölkerung zu viel. Vielleicht hat auch sein Amtsverständnis als eine Art „Supermanager“ der Stadt die Menschen nicht überzeugt. Ich zum Beispiel will als Stadträtin keine Managerin sein. Und Nagl hat manchmal quasimonarchistische Züge entwickelt. Die ÖVP muss generell lernen, dass das Land nicht ihr und der Raiffeisenbank gehört.

Wen würde die KPÖ zum Bürgermeister wählen?

Kahr: Dafür ist es jetzt noch zu früh. Vieles ist denkbar. Die Verhandlungen brauchen aber Zeit. Daher: bloß keine Hektik, wie sie Nagl zuletzt an den Tag gelegt hat.

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27. November 2012