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Ina Bergmann: Unser Nein zur Ausgliederung hat gute Gründe

Diskussionsbeitrag in der Gemeinderatssitzung am 14. 12. 09

Klubobfrau Ina Bergmann

100 Prozent der Daseinsvorsorge werden dem Markt unterworfen

Diskussionsbeitrag in der Sitzung des Gemeinderates am 14. 12. 09

Ich kann mich noch gut erinnern, als im Jahr 2003 Herr Bürgermeister Nagl sein Amt übernommen hat. Damals hat er in seiner Antrittsrede begeistert vom Unternehmen Graz gesprochen. Mit dem heutigen Beschluss zum "Haus Graz neu ordnen" ist seine Vision von damals in Erfüllung gegangen. 100 % der Daseinsvorsorge werden nun in privatrechtlichen Gesellschaften verankert und somit den Gesetzen des Freien Marktes unterworfen. Für jemanden mit rein unternehmerischem Denken anscheinend die optimale Form, um eine Stadt zu führen.
Unserer Ansicht nach hat der Staat, die Kommune jedoch andere Aufgaben zu bewältigen, als ein Unternehmen auf dem freien Markt und kann daher auch nicht wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen geführt werden. Die Kommune ist ihren Bürgern und Bürgerinnen verpflichtet und zwar allen, besonders jedoch den Schwächeren in unserer Gesellschaft. Sie hat die Pflicht, die Daseinsvorsorge allen Menschen leistbar zur Verfügung zu stellen, soziale Aufgaben zu erfüllen und für ein friedliches Miteinander in der Stadt zu sorgen.
Dinge also, die nicht nur Profit orientiert und ausschließlich nach dem
Gesichtspunkt der Kostendeckung betrachtet werden können. Für einige
Bereiche wird es immer Zuschussleistungen benötigen. Es ist eben doch alles eine Frage der Umverteilung.
Es ist schon klar: Auch eine Kommune muss gut wirtschaften können, Geld dort ausgeben, wo es unbedingt gebraucht wird und Prioritäten setzen. Dass dies auch funktionieren kann, dafür gibt es in Graz gute Beispiele - wie die Wirtschaftsbetriebe oder die GGZ.

Auch ohne GesmbH und AG ist es durchaus möglich, gut und sparsam zu
wirtschaften, Kostentransparenz aufzuzeigen und verantwortungsvoll zu
arbeiten. Dies ist auch bei genauem Hinschauen dem Bericht des
Stadtrechnungshofes zu entnehmen.
In den vergangenen Jahren wurden viele Gesellschaften im Eigentum der Stadt Graz gegründet. Immer unter dem Vorwand, dass eine GesmbH wirtschaftlicher und sparsamer agieren könne als eine Magistratsabteilung, sie könne die Steuervorteile besser nutzen und somit bessere Ergebnisse erzielen.
Allein die Budgetkosmetik zugunsten des Maastrichtergebnisses war dafür
verantwortlich. Schulden auszulagern, damit sie nicht budgetwirksam werden war ein wesentlicher Grund dafür.

Heute wird argumentiert, dass diese große Strukturveränderung aus folgenden Grünen notwendig wäre:

• Zu viele Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung sowie bei den
Zuständigkeiten und in den Beteiligungen
• Zu viele Gesellschaften mit zu hohen Overheadkosten, zu vielen
Führungskräften
Jeder hat seine eigenen Abteilungen wie z.B. der IT Bereich, Buchhaltung
u.a.
• Aufgabenbereiche, die zusammen gehören, sind aufgesplittet in
verschiedenen Abteilungen der Stadt und in den Beteiligungen

Ich frage mich: Wer war in den letzten 7 - 10 Jahren dafür verantwortlich, dass es soweit gekommen ist? Wer hat der Gründung dieser vielen Gesellschaften und somit der Aufgabensplitting die Zustimmung gegeben?
Ich erinnere mich daran, dass 2006 die AEVG von den WB getrennt wurde und Anteile von der Stadt an die Graz AG abgetreten wurden. Heute steht man auf den Standpunkt beides gehört wieder zusammen - natürlich ausgegliedert.
Allein die Argumentation, dass diese Umstrukturierung heute unbedingt notwendig wäre, um für die Stadt Graz einen geordneten Haushalt für die Zukunft zu gewährleisten - ist für uns nicht haltbar.
Keiner kann heute sagen, wohin diese Strukturreform die Stadt Graz führen wird. Wenn wir davon ausgehen, mit welchen Argumenten die vielen Ausgliederungen der Vergangenheit begründet wurden und wo die Stadt heute steht - lässt uns dies nicht an die heutigen Voraussagen von ÖVP und Grünen glauben, sondern beschleicht uns dabei ein äußerst ungutes Gefühl.
Die errechneten Einsparungen und die anfallenden Kosten für die Umstrukturierung - welche bis heute für uns noch gar nicht beziffert wurden – rechtfertigen diese umfangreichen und nur äußerst schwer rückgängig zu machenden Beschlüsse keinesfalls.

Dazu ein Zitat aus dem Prüfbericht des Stadtrechnungshofes Seite26:
„Grundsätzlich kann auch ein Eigenbetrieb eine taugliche Rechtsgrundlage für die Führung von wirtschaftlichen Unternehmen darstellen: Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits erhebliche Betriebe und Betriebsteile sowie Vermögenswerte in selbstständigen Rechtsträgern abgebildet sind, würde eine Rückverlagerung auch nur von Teilen dieser zu verhältnismäßigen Transaktionskosten führen und scheidet daher aus.“

Sehr geehrte Damen und Herren des Gemeinderates !
Bedenken Sie, dass Sie heute bei dieser Abstimmung für weitreichende und kaum rückgängig machende Veränderungen in dieser Stadt die Verantwortung
übernehmen.

14. Dezember 2009