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Murkraftwerk Puntigam

Massive Folgekosten: Wer soll das alles bezahlen?

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So hoch soll der Damm des Murkraftwerkes reichen: Nicht nur das Stadtbild wäre verändert. Auch sämtliche Stege, Brücken, Geh- und Radwege sowie die Murpromenade müssten komplett neu gebaut werden - auf Kosten der Allgemeinheit!

Bei der Stadtsenatssitzung am 26. 8. 2011 wurde die Stellungnahme der Stadt Graz zur UVP zum geplanten Murkraftwerk Puntigam beschlossen. Die KPÖ hat dagegen gestimmt, denn:

Eine Zustimmung zur Stellungnahme wäre einem Bekenntnis zum Murkraftwerk gleichgekommen, und das ist von der KPÖ nicht zu haben.

Bei Durchsicht der Stellungnahme der Stadt wird aber erst so richtig deutlich, was für ein Schildbürgerstreich dieses Kraftwerk doch ist. Die Stellungnahme der einzelnen Abteilungen liest sich wie eine utopische Wunschliste, aus der überhaupt erst ersichtlich wird, welch umfassende Schäden ein Bau dieses Kraftwerkes verursachen würde und welche Zusatzinvestitionen im Interesse der Sicherheit der Grazerinnen und Grazer erforderlich würden.

Profitieren könnte davon wohl nur die Bauwirtschaft. Bisher hat die ESTAG – wenn überhaupt – nur schwammige Aussagen getroffen, was die Realisierung und – vor allem – die Finanzierung von „Reparaturmaßnahmen“ betrifft für all jene Schäden, die die Kraftwerkserrichtung für Natur, Lebensraum, Bevölkerung, Infrastruktur usw. mit sich bringen würde. Und diese Liste ist lang:

  1. Da wären z. B. die Kosten für die neu zu errichtende Bootsanlegestelle für die Feuerwehr sowie eine Slipstelle für Boote. Die Energie Steiermark will lediglich eine bereits bestehende Slipstelle sanieren.
  2. Hinzu kommen Kosten für die Dauerbesetzung eines ab Errichtung des Murkraftwerkes notwendigen Stützpunktes zur Gewährleistung der Sicherheit. Die Abteilung Katastrophenschutz erklärt in ihrer Stellungnahme, dass sie nicht die Verantwortung dafür habe, dass die Mur künftig nicht mehr zur Gänze befahren werden kann (Anm.: Welch Überraschung!)
  3. Für den Sammelkanal gibt es bisher keine vertragliche Zusicherung der Finanzierung des – hauptursächlich durch das Murkraftwerk erforderlichen – Entlastungskanals.
  4. Von der ESTAG zu treffende Ausgleichs-, Gestaltungs- und Ersatzmaßnahmen werden von dieser (lt. Aussage der Holding Graz – Abwässer) bisher nicht ausreichend konkretisiert. An vielen Stellen wird es nur mehr möglich sein, Sträucher zu pflanzen – ein kümmerlicher Ersatz für den bisher dominierenden Altbaumbestand.
  5. Eine ursprünglich vorgesehene freie Fließstrecke wäre durch die jetzt geplante besonders massive Eintiefung des Murbodens nicht mehr realisierbar. Eine „Ersatzfließstrecke“ beim Wasserwerk Graz-Nord wird zwar vorgeschlagen. Wer das bezahlen soll, ist aber ungeklärt.
  6. Für das groß angekündigte Freizeitareal Seifenfabrik/Grünanger sind gar nicht genügend Flächen vorhanden. Die Stadt schlägt vor, mit Fam. Kovac bezüglich des Erwerbs zusätzlicher Grundflächen zu verhandeln. Also ist auch hier nichts geklärt.
  7. Die Murpromenade wurde durch Aufwendung öffentlicher Gelder umgesetzt. All diese Investitionen wären mit dem Murkraftwerksbau verloren. Die Muruferpromenade samt der in den letzten Jahren mühsam geschaffenen Gewässerstrukturen (z. B. Störsteine, Schotter/Sandbuchten, rauhe Gewässeranschlaglinie…) müsste komplett neu errichtet werden. Aussagen über die künftigen Qualitäten der Uferbereiche bzw. darüber, wer die finanzielle Verantwortung dafür übernehmen soll, fehlen im UVE-Konzept.
  8. Es gibt keine verbindlichen Aussagen über den Ersatz der eingestauten Murwelleunter der Radetzkybrücke durch Neuerrichtung einer Ersatz-Murwelle auf Kosten des Kraftwerksbetreibers.
  9. Die Olympiawiese war zum Teil als stark durchgrüntes Wohngebiet gedacht. Dieses wertvolle Bauland wäre mit dem Murkraftwerk verloren.
  10. Der in der UVP aufgezeigte Untersuchungsraum ist viel zu klein, da das Kraftwerk viel tiefer in die Stadtstruktur eingreifen würde als dargestellt. Folgekosten?
  11. Im Bereich der Kirchnerkaserne wurde bestehende Freiflächen neu und partizipativ gestaltet. Auch diese Flächen und Strukturen sind in Gefahr und müssten erst einmal ersetzt werden.
  12. Der Wegfall oder die Einschränkungen der Benutzbarkeit von – natürlich auch mit öffentlichen Geldern errichteten - bestehenden Brücken und Stegen müsste kompensiert werden.
  13. Kilometerlange Radwege müssten abgerissen und neu errichtet werden.
  14. Noch weiß die Abteilung für Immobilien/GBG noch nicht, welche Flächen die ESTAG während der Bauphase, vollständig oder als Dienstbarkeit in Anspruch nehmen will. Auch hat die ESTAG in den eingereichten Unterlagen nicht erklärt, dass sie für eine Wiederherstellung sorgen wird.
  15. Die Freiflächen am Grünanger müssten wieder komplett neu überdacht bzw. Ersatz geschaffen werden. Wie die ESTAG Ersatz für Spiel- und Sportflächen am Grünanger sorgen will, darüber hat sie sich offenbar noch nicht den Kopf zerbrochen. Es fehlen sowohl Angaben über einen Ersatz während der Bauzeit als auch solche über die Qualität und Quantität der wiederherzustellenden Flächen.

Rechnet man die zu erwartenden Folge- und Begleitkosten des geplanten Kraftwerksbaus zusammen, ergibt sich die Frage: Ja, wer soll denn das alles bezahlenl?

Hier gibt es nur zwei Varianten:

1. Die ESTAG zahlt – und wir zahlen’s mit überhöhten Strompreisen wieder zurück oder

2. Die Stadt Graz zahlt es und damit wieder wir alle

Dazu setze man die zu erwartende lächerliche Stromausbeute (geschätzte 74 GWh/a) in Relation!

Oder man vergleiche den Aufwand mit jenem, den man bei der Erdgas-Verdichterstation in Weitendorf betreiben muss, indem man für eine elektrische Nutzung der Abwärme sorgt und allein damit 100 GWh/a erzeugt – also um rund ein Viertel mehr an Strom!

29. August 2011