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Pfauengarten: Ein Brief der evangelischen Pfarrgemeinde

Karlsplatz wäre Anachronismus und Herabwürdigung

An die
Klubobfrau der KPÖ
GRin Ina Bergmann
Rathaus
8010 Graz
Graz, 2. Februar 2012

Umbenennung des Pfauengartens in „Karlsplatz“
Sehr geehrte Frau Klubobfrau!

Mehrere Artikel in lokalen Printmedien der letzten Tage über eine beabsichtigte Umbenennung des Pfauengartens in „Karlsplatz“ – nach Erzherzog Karl II. – veranlassen uns, Ihnen unser tiefes Befremden über ein solches Vorhaben kundzutun. Auch wenn, wie einem Bericht der heutigen Kleinen Zeitung zu entnehmen ist, dieses Vorhaben vorerst „gescheitert“ zu sein scheint, halten wir fest:

Als Herrscher über Innerösterreich (Steiermark, Kärnten und Krain) hat sich Karl II. tief in das Gedächtnis historisch bewusster Evangelischer eingeprägt als Politiker, der im Rahmen seiner Möglichkeiten alles unternahm, die zu seiner Zeit fast ausschließlich protestantische Steiermark zu „rekatholisieren“. Nur eine dieser Maßnahmen war etwa die Ausweisung des evangelischen Superintendenten Jeremias Homberger 1585. Unter Karls Regentschaft wurde auch der Besuch
evangelischer Gottesdienste untersagt und die Grazer Bürger gezwungen, die katholische Messe zu besuchen.
Karl II. mag für die Entwicklung der Stadt Graz im 16. Jahrhundert eine wichtige Rolle gespielt haben, sei es durch die Gründung der Jesuiten-Universität 1585 oder seine Baumaßnahmen. Angesichts seiner unduldsamen Haltung gegenüber den evangelischen Bürgerinnen und
Bürgern seiner Residenzstadt erachten wir es als Evangelische unserer Zeit jedoch als Anachronismus und Herabwürdigung, einen öffentlichen Platz nach ihm zu benennen.

Dies umso mehr, als es genügend andere Persönlichkeiten unserer Heimatstadt gibt, für die eine solche Ehrenbekundung angebracht wäre. Als Beispiel dafür möchten wir Ihnen im Anhang die Grazer
evangelische Theologin Dr. Margarete Hoffer (1906-1991) vorstellen, die ebenfalls des Landes verwiesen wurde – allerdings von den Nationalsozialisten. Als Vikarin in Baden-Württemberg versteckte sie verfolgte Jüdinnen und Juden und half ihnen bei der Flucht. Ihre dortige Wirkungsstätte, die Stadt Villingen-Schwenningen, diskutiert gerade die Benennung einer Straße nach ihr – da wäre es doch ein schönes Zeichen, wenn auch ihre Heimatstadt ihr diese Ehre zuteil werden ließe.
Wir ersuchen Sie und Ihre Fraktion im Grazer Gemeindrat daher, das Ansinnen der Benennung eines öffentlichen Ortes in Graz nach Karl II. nicht weiter zu verfolgen und stattdessen bei der nächsten sich
bietenden Gelegenheit den Namen Margarete Hoffer in die Entscheidungsfindung über eine Straßenbenennung einzubeziehen.
Mit freundlichen Grüßen namens der Evangelischen Pfarrgemeinde Graz-Heilandskirche,

Mag.a Ulrike Frank-Schlamberger Mag. Heinz Schubert

Margarete Hoffer – eine Querdenkerin
Als Beispiel für jene Frauen, die überkommene Rollenzuweisungen durchbrachen und so zu
Wegbereiterinnen für heute Selbstverständliches wurden, steht die evangelische Christin Dr.
Margarete Hoffer (1906 bis 1991). Sie wäre am 31. Juli dieses Jahres 100 Jahre alt geworden.
Mit der Entscheidung, als Frau ihrer Zeit evangelische Theologie zu studieren, traf die Absolventin des
Grazer Lichtenfelsgymnasiums bereits eine ungewöhnliche Berufswahl. Nach dem Studienabschluss
wählte sie den Schuldienst, zumal Frauen in der evangelischen Kirche damals noch von der
Ordination ausgeschlossen waren. Auch mit ihrer kompromisslosen Positionierung gegenüber der
nationalsozialistischen Ideologie war Margarete Hoffer nicht nur innerhalb ihrer eigenen Kirche eine
Quer-Denkerin. Als Mitglied der Bekennenden Kirche und Mitautorin einer Broschüre warnte sie vor
der Gefährlichkeit der nationalsozialistischen Ideologie und musste Österreich deshalb 1938
verlassen. Sie war Mitglied einer Widerstandskette, die unter dem Risiko ihres eigenen Lebens
verfolgten Juden auf ihrer Flucht half.
Nach ihrer Rückkehr arbeitete sie in Oberösterreich mit Flüchtlingen. Dort wagte sich Margarete
Hoffer, die an der Universität Tübingen zur Doktorin der Theologie promoviert wurde, in Bereiche vor,
die nur ihren männlichen Kollegen vorbehalten waren. Dadurch geriet sie erneut in Konflikt mit der
evangelischen Kirchenleitung.
In ihrer Heimatstadt Graz wirkte Margarete Hoffer seit 1952 als Religionsprofessorin sowie in der
Heilandskirchengemeinde, in der Studierenden-, Friedens- und interkonfessionellen Arbeit. Sie gilt in
der evangelischen Kirche als Kämpferin für die volle Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche.

2. Februar 2012