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Wohnungspolitik muss Teil der Sozialpolitik sein

Budgetrede von Stadträtin Elke Kahr

Stadträtin Elke Kahr
Wohnungspolitik muss Teil der Sozialpolitik sein

Rede in der Budgetdebatte des Grazer Gemeinderates, 12.12. 2011

Wohnungspolitik muss Teil der Sozialpolitik sein, aus dem einfachen Grund, weil alle Menschen Raum zum Wohnen brauchen: Ob sie arm oder reich, einheimisch oder zugewandert sind, ob sie jung oder alt, benachteiligt oder privilegiert sind.
Nur die wenigsten können sich ihre Traumwohnung leisten. Hochglanz-Werbebroschüren privater Bauträger, in denen der Wohntraum prächtig präsentiert wird, sind für den Großteil der Menschen derselbe Hohn, derselbe Zynismus wie das Angebot einer Luxuskarosse für einen working-poor Beschäftigten, die Kreuzfahrt für den Mindestpensionisten oder die private Pensionsvorsorge für die alleinerziehende, halbtagsbeschäftigte Friseurin.

Für einen immer größer werdenden Teil der Österreicherinnen, der Grazerinnen und Grazer sind auch sogenannte normale Wohnungen nicht mehr leistbar. Selbst Richtwertmieten, die gesetzeskonform sind, ergeben zusammen mit den immer teurer werdenden Betriebskosten eine monatliche Belastung für das Wohnen, die 50 % und mehr des monatlichen Einkommens ausmacht. Und, meine Damen und Herren, wir reden hier nicht mehr nur von Arbeitslosengeldern, Mindestpensionen oder dergleichen. Nein, wir reden hier immer öfters von Arbeitseinkommen aus Vollzeitbeschäftigungen, die nicht mehr ausreichen, sich ein simples Dach über dem Kopf zu finanzieren ohne dabei eine selbst äußerst bescheidene Lebensführung zu gefährden. Hier erfährt der „Traum vom Wohnen“ eine andere, eine realistischere Bedeutung.

Und selbst diese ohnehin viel zu hohen Richtwerte sind teilweise noch günstig im Vergleich zu jener größer werdenden Zahl von frei finanzierten Wohnungen, die – außer dem Wucher – keinerlei Mietzinsbeschränkungen unterliegen. Wo begüterte Investoren und Banken die höchstmöglichste und sicherste Rendite suchen, finden sie sie auch. Finanziert von jenen, die aufgrund der hohen Nachfrage und des geringen Angebotes oftmals keine andere Möglichkeit haben, als Mietverträge zu haarsträubenden Bedingungen zu unterzeichnen.

Deshalb kann Wohnen auch nicht als Ware angesehen werden, Wohnen ist ein Teil elementarster Daseinsvorsorge, kommunaler Wohnbau ist ein Gebot der Stunde. Sollen sich jene, die es sich leisten können, doch ihre Luxuswohnträume erfüllen. Aber auch jene, für die selbst gesetzeskonforme Mieten auf dem freien Markt mit ihren Einkommen nicht mehr leistbar sind, haben ein Recht auf eine leistbare Wohnung.

Wohnbau in kommunaler Verantwortung und als Teil sozialstaatlicher Für- und Vorsorge begann in Österreich vor allem in der Zwischenkriegszeit im großen Stil (vorbildlich im roten Wien, wovon heute noch gut ein Drittel der WienerInnen profitiert), aber auch in Graz sind es vor allem die Gemeindewohnhäuser aus der Zwischen- und Nachkriegszeit, die den Bewohnerinnen bis heute dauerhaften, sicheren und leistbaren Wohnraum garantieren. Eine Wohnung zu haben, in der man gut und gesund leben kann, einer Familie Heimat zu sein, es nicht weit zur Arbeit zu haben oder als ältere Menschen sicher und versorgt bleiben zu können, ist ein Essential sozialer Daseinsvorsorge und damit eine öffentliche und staatliche Aufgabe, die man dem privaten Markt nicht überlassen kann und darf. Der freie Markt mag was auch immer regeln, bei der Bewältigung von Agenden der Daseinsvorsorge ist er bis jetzt immer und oft auch grandios gescheitert.

Bekenntnis zum kommunalen Wohnbau

Dort wo Menschen mit geringen Einkommen günstige Wohnungen benötigen, muss der Staat, die Kommune selbst präsent sein und Wohnungen zur Verfügung stellen. Das gilt selbstverständlich auch für unsere Stadt Graz, die jährlich Einwohnermäßig wächst und nicht nur Menschen beheimatet die begütert sind. Ganz im Gegenteil, durch die krisenhafte Entwicklung kommen immer mehr Menschen in finanzielle Bedrängnis und schon viel zu viele Familien mit ihren Kindern fallen unter die Armutsgrenze. Wollen wir keine Pariser Verhältnisse, werden selbst jene, die allen Ernstes noch immer glauben, Gemeindewohnungen wären ein einfallsloses Relikt aus vergangenen Zeiten, ein Bekenntnis zum kommunalen Wohnbau ablegen müssen.

Meine Damen und Herren, wie reagiert die herrschende Politik auf die geschilderten Verhältnisse? Was tun Bund, Länder und Gemeinden, um den dringend benötigten, leistbaren Wohnraum zu schaffen? Ist es nicht der Bund, der die Gemeinnützigen Bauträger reduzierte oder der anstelle von nachvollziehbaren, günstigeren Kategoriemietzinsen ein völlig undurchschaubares Richtwertsystem aufrecht hält? Ist es nicht das Land Steiermark, das durch die Kürzung der Wohnbaufördermittel weniger geförderten Wohnbau schafft und dadurch MieterInnen auf den freien Wohnungsmarkt treibt und gleichzeitig die Wohnbeihilfen kürzt? Gibt es für das Sprichwort „den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“ ein drastischeres Beispiel? Was tun Kommunen, um leistbaren Wohnraum zu schaffen? Beispielsweise wurden in Trofaiach, Judenburg, Kapfenberg und Köflach Gemeindewohnungen verkauft….

Erfreulicherweise hat sich Graz – aus heutiger Sicht – besonnen und zu seinen Gemeindewohnungen bekannt und sie nicht verkauft, wo sie dann in der Auslage für sogenannte Investoren gestanden wären. Nicht nur das, gemeinsam mit ÖVP und Grünen wurde ein Wohnbauprogramm vereinbart, mit Hilfe dessen 500 neue Gemeindewohnungen errichtet werden.

Trotzdem darf uns das nicht beruhigen. Ganz im Gegenteil. Es muss jährlich eine Grundstücksbevorratung vorgenommen werden und gleichzeitig muss geschlossen gegenüber dem Land Steiermark aufgetreten werden, damit endlich begriffen wird, dass es die Stadt Graz ist, welche den größten Bedarf an leistbaren Wohnraum hat.

In diesem Zusammenhang ist vor allem auch immer daran zu denken: Welche gesellschaftlichen und sozialen Anforderungen braucht heute ein kommunaler Wohnbau und in welchen Stadtteilen sichern wir die Grundstücke. Anlagen wie z.B. unsere Holzhaussiedlung am Grünanger bräuchten wir in unserer Stadt einige mehr.

Welche Bedeutung der kommunale und gemeinnützige Wohnbau ha,t darüber waren sich erst heuer im Frühjahr bei einer parlamentarischen Klubenquete in Wien alle Anwesenden einig. Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel kritisierte die Aufhebung der Zweckbindung der Wohnbauförderung, wonach in den Bundesländern - so auch bei uns in der Steiermark - wesentliche Mittel in andere Kanäle geflossen sind.

„Demographischen Prognosen zufolge wird Österreich bis 2050 zehn Millionen Menschen zählen. Das bedeutet einen jährlichen Mehrbedarf an Neubauten von rund 50.000 Einheiten. Für dieses Jahr waren es aber nur 37.400 Einheiten. Diese Differenz bedeutet nicht nur vor allem in den größeren Städten einen Rückgang an leistbaren Wohnraum sondern bedeutet auch einen Umsatzverlust in der Bauwirtschaft, von bis zu 3 Milliarden Euro, bis zu 30.000 weniger Beschäftigte und für den Staat ein Entgang von 800 Millionen Euro an Lohn- und Umsatzsteuer“, so Frömmelt.

Der Bedarf an leistbaren Wohnraum ist nicht mehr gedeckt. Wenn die Politik nicht gegensteuert, droht eine Wohnungsnot. Der damit einhergehende Anstieg der Immobilien- und Mietpreise liefert viele Menschen erst recht Spekulanten und Geschäftemachern aus.

Es ist ein Irrweg der Politik, bei privaten Investoren die Orientierung zur Finanzierung des sozialen Wohnbaus zu gewinnen. Egal ob Kapital von Versicherungen, Pensionskassen oder Banken kommt, eine solche Entwicklung -wie sie jetzt von einigen Städten begangen wird- liefert die Entwicklung des geförderten Wohnbaus dem Finanzmarkt aus.

Immer deutlicher zeigt sich, dass die Aufgabe der Zweckbindung der Wohnbauförderungsgelder im Rahmen des Finanzausgleiches und der Verkauf der aushaftenden Wohnbaudarlehen an Banken, um Budgetlöcher zu stopfen, den geförderten Wohnbau in ein Desaster geführt haben.

Deshalb treten wir entschieden wieder für die Zweckbindung der Wohnbauförderungsgelder ein, aushaftende Wohnbaudarlehen müssen wieder durch das Land selbst verwaltet werden. Und wir treten für die Einführung eines Landeswohnbaufonds ein. Dieser soll aus Ertragsanteilen, Rückflüssen aushaftender Darlehen und vom Land aufgenommener Bankdarlehen gespeist werden.

Es ist mir heute ein großes Anliegen gewesen, Sie gerade auf diese Problematik aufmerksam zu machen. Die Leistungen und Angebote des städtischen Wohnungsamtes selbst sind auch für das kommende Jahr gesichert. Die Frage, wie können wir auch auf kommunaler Ebene, dort wo wir den Menschen am nächsten sind, alles dafür tun, dass soziale Gerechtigkeit und Solidarität nicht eingeschränkt sondern ausgeweitet werden, steht im Mittelpunkt unseres Handelns.
Das städtische Wohnungsamt beweist, dass genau diese soziale Haltung, bei jährlich knapper werdenden Budgets, möglich ist.

Wir haben weiterhin unsere Mietenzuzahlung, die durch die Kürzung der Wohnbeihilfe im Land, bei uns ansteigen wird. Auch für das kommende Jahr haben wir unser Kautionsbeitragsmodell gesichert. Die Kategorie- und Richtwertmieten haben wir, im Wissen, dass die Betriebs-, Heiz- und Stromkosten ohnehin das Wohnen verteuern, nicht in dem gesetzlichen Rahmen angehoben.
Wir setzen den erfolgreich begonnenen Weg der umfassenden Sanierungen beim Altbestand unserer Wohnhäuser auch im kommenden Jahr weiter fort. Dabei sind wir im Städtevergleich - und das darf ich mit Stolz - sagen sicherlich beispielgebend. Morgen Dienstag werden wir wieder ein umfassend saniertes Wohnhaus in der Friedhofgasse, an die Alt- bzw. neuen Mieter übergeben. Ich darf jeden, den es interessiert, schon heute dazu recht herzlich einladen.
Das Fernwärmeausbauprogramm erfolgt in einem riesigen Ausmaß und trägt so natürlich auch zur Reduktion der Feinstaubproblematik bei.
Nutzungskonflikte und Nachbarschaftshilfe begegnen wir seit 2 Jahren mit einer eigenen Siedlungsmediation sehr erfolgreich und werden sie auch im kommenden Jahr aus Eigenmitteln selbst finanzieren.
Wir unterstützen auch das Projekt NABAS vom Friedensbüro, haben Kooperationen mit Genossenschaften, wenn es um Siedlungsprojekte geht, unterstützen Kulturschaffende mit Projekten in unseren Wohnhausanlagen, und finanzieren Stadteilprojekte wie das Siedlungszentrum in der Triestersiedlung und am Grünanger mit.
Das städtische Wohnungsamt hat mit dem Umzug in die Räumlichkeiten am Schillerplatz mit dazu beigetragen, dass die Stadt Graz ein modernes, kundenfreundliches Wohnungskompentenzzentrum besitzt, wo alle Grazerinnen und Grazer, kostenlos Beratung, Hilfe und Service in allen wohnungsrelevanten Fragen erhalten können. Dass wir alle wichtigen Formulare, Hausordnungen und Unterlagen nicht nur im Internet, sondern auch in schriftlicher Form in 8 verschiedenen Sprachen anbieten ist schon seit vielen Jahren selbstverständlich.

Sie sehen, die Stadt Graz zeigt sich auch mit seinem Wohnungsamt innovativ und nimmt in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle ein.

(...)

12. Dezember 2011