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"Die letzte (?) Vorzeigekommunistin"

Salzburger Nachrichten: Porträt Elke Kahr

Die letzte Vorzeigekommunistin

Einzelkämpferin. In Graz hält Stadträtin Elke Kahr die rote Fahne hoch. Die 51-jährige Spitzenkandidatin der KPÖ verfügt über gute Umfragewerte. Selbst Platz zwei ist denkbar.

Österreichweit bewegen sich die Kommunisten meist jenseits an der Wahrnehmungsgrenze. In der Stadt Graz sind sie seit der Ära des legendären Ernest Kaltenegger („Genosse 20,8 Prozent“) ein kommunalpolitischer Faktor. Mit 11,2 Prozent der Stimmen errang die KPÖ bei der Gemeinderatswahl 2008 immerhin einen Stadtratsposten und sechs Gemeinderatssitze. Laut Umfragen dürfte die von Elke Kahr angeführte Partei bei der kommenden Wahl am 25. November zulegen. Selbst Platz zwei hinter ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl scheint nicht ganz unmöglich zu sein.
Volksnähe statt (?) Marx

Dunkelrot als Modefarbe in der sonst bürgerlichen Uhrturmstadt: Wie ist das möglich? Die Theoriegebäude von Karl Marx und Friedrich Engels sind da weit weniger wichtig als ein volksnahes Handeln. Für Elke Kahr gilt – wie für alle anderen KPÖ-Mandatare auch – eine Gehaltsobergrenze von 1800 Euro. Der Rest vom 9792-Euro-Bruttogehalt wird für soziale Zwecke gespendet. Im aktuellen Walkampf hat die 51-jährige Spitzenkandidatin die Aktion „Geld für Bankerl statt für Banken“ ins Leben gerufen: Zugunsten der Aufstellung von Sitzbänken im Grazer Stadtraum verzichten die Kommunisten auf Werbegeschenke.

Elke Kahr deckt nicht alle politischen Bereiche ab, sondern konzentriert sich auf soziale Themen (vor allem Wohnen) und auf den Kampf gegen die Privatisierung. Der von ihr ausgerufene Slogan „Soziales darf nicht untergehen“ wird durch Bürgernähe mit Leben erfüllt: So hat Elke Kahr im Wohnungsamt allein heuer schon knapp 3000 Beratungen durchgeführt. „Wenn man täglich mit den Sorgen der Menschen zu tun hat, erkennt man, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen dem Bild vom Sozialstaat ohne Makel und der Realität“, sagt Kahr.

Sie mag weit weniger charismatisch sein als Ernest Kaltenegger, mit dem der Höhenflug der bundesweit ins Trudeln geratenen KPÖ begonnen hat. Aber die persönliche Erreichbarkeit, die Basisnähe insbesondere für das Klientel in den Gemeindewohnungen stärkt ihre Glaubwürdigkeit.

„Ich hab’ mit dem Kommunismus gar nichts am Hut. Aber wenn es ein Problem gibt mit anderen Mietern, den Radabstellplätzen oder den Müllcontainern, kann ich im Büro Kahr anrufen“, sagt eine Bewohnerin aus der traditionell von Arbeitern und Ausländern bewohnten Triestersiedlung. Elke Kahr ist nicht um den großen Wurf bemüht, sie betreibt eine Politik der kleinen Schritte. Im „Wir alle sind Graz“ betitelten Kommunalprogramm der Grazer Kommunisten finden sich die Kernforderungen: „Kein Verkauf von städtischen Gemeindewohnungen. Bau von weiteren Gemeindewohnungen.“ 500 neue Wohnungen seien, sagt Kahr, in den vergangenen fünf Jahren „auf Schiene gebracht“ worden. Was Kahr auch noch als Erfolg verbucht: „Wir haben seit 1993 einen Sozialpass mit Vergünstigungen für Bedürftige gefordert. Jetzt wurde vom SPÖ-Sozialressort endlich eine ,SozialCard‘ eingeführt.“

„Sonny“ will Sitze halten

Die Person Elke Kahr war lang ein unbeschriebenes Blatt. Aus der KPÖ-Postille „Grazer Stadtblatt“ ist zu entnehmen, dass sie von ihrer Mutter gleich nach der Geburt zu Adoption freigegeben worden war. Im Kinderheim erhielt sie aufgrund ihres sonnigen Gemüts einen Kosenamen: „Sonny“. Elke Kahr arbeitete einst bei der Kontrollbank, trat 1985 der KPÖ bei, als „Leidenschaften“ nennt sie „fremde Länder, Musik und Malen“. Die Mutter eines Sohnes stapelt nicht selten tief, als Wahlziel nennt sie diesmal das Halten des Sitzes im Stadtsenat, der von neun auf sieben verkleinert werden wird.

Elke Kahr und die Grazer KPÖ profitieren von der Dauerkrise der Grazer SPÖ, die Kommunisten werden aber auch zu einem Sammelbecken für Proteststimmen aus anderen Lagern. Selbst um solche, die sich gegen die Vermarktung des Weihnachtsfests wenden, wird gebuhlt: „Wer nichts auszugeben hat, dem hat dieses Weihnachten nichts zu bieten“, heißt es im „Stadtblatt“.

20. November 2012