Archivierte Artikel: Die enthaltenen Informationen sind möglicherweise veraltet.

Diesen Budgetkurs müssen wir ablehnen!

Generalrede von KPÖ-Klubobmann Sepp Schmalhardt im Grazer Gemeinderat

Klubobmann Josef Schmalhardt (KPÖ)
Diesen Budgetkurs müssen wir ablehnen!

Rede in der Haushaltsdebatte des Grazer Gemeinderates 14. 12. 06

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, geehrte Mitglieder der Stadtregierung, meine Damen und Herren!

Der Beschluss über den Voranschlag unserer Stadt ist keine Routine-Angelegenheit. Es ist eine der wichtigsten Errungenschaften unserer Demokratie, dass die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Bevölkerung darüber entscheiden, wie die Steuermittel verteilt werden, die ja von uns allen gezahlt werden. Vorher hatten Könige, Fürsten und Beamte ganz allein diese Beschlüsse gefasst. In der Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft war der Kampf darum, wer die Budgethoheit hat, oft sehr erbittert.
Jetzt haben wir die Budgethoheit - und können sie in Wirklichkeit nicht ausnützen, weil ÖVP und SPÖ, die bestimmenden Kräfte in der Stadtregierung, alles untereinander ausgemacht haben. Die beiden KPÖ-Stadträtinnen wurden nur sehr spät in die Diskussion einbezogen und hatten keinen Einfluss auf die grundlegenden Richtungen dieses Voranschlages.

Trotzdem: Die Budgetdebatte im Gemeinderat ist keine Formsache. Erst durch unseren Beschluss erlangt der vorliegende Entwurf eine verbindliche Kraft. Es ist das Regelwerk, an das sich die Stadt im kommenden Jahr halten muss.
Der Stellenwert der Budgetdebatte hat in der laufenden Gemeinderatsperiode durch die Abwertung des Gemeinderates stark abgenommen. Nicht nur die Anzahl der Gemeinderatssitzungen wurde verringert, sondern auch für eine eigene Budget - Gemeinderatssitzung ist keine Zeit mehr. Für notwendige Meinungsbildung und Diskussionen hat man keine Lust mehr.
Die Bediensteten der Stadt Graz leisten sehr gute Arbeit im Interesse der Bevölkerung. Das steht am Anfang meiner Ausführungen, die sich notwendigerweise sehr kritisch mit der grundlegenden politischen Richtung von SPÖ und ÖVP auseinandersetzen müssen. Wir haben noch immer eine Lebensqualität, um die uns Besucherinnen und Besucher aus anderen Ländern oft beneiden. Genau deshalb müssen wir darauf achten, dass dieser Vorzug nicht verloren geht.

Unsere Kritik an der Finanzpolitik ist bekannt – und sie ist bisher nicht widerlegt worden. In allen Budgetreden der jetzigen Gemeinderatsperiode haben wir klar und deutlich gesagt, dass die Finanzsituation der Stadt nicht zum Vorwand für Sozialabbau und Privatisierungen genommen werden darf.
Heute beschließen wir zum letzten Mal in dieser Periode ein ausverhandeltes Budget. Vor der Gemeinderatswahl wird es nur mehr ein Budgetprovisorium geben. Deshalb ist es gestattet, wenn ich daran erinnere, dass wir von der KPÖ bei den Parteienverhandlungen im Februar und März 2003 über unsere Positionen keinen Zweifel gelassen haben. Was haben wir damals gefordert?

1. · „Das Infragestellen des innerösterreichischen Stabilitätspaktes im Zusammenhang mit den EU-Vorgaben, eine Änderung des Finanzausgleichs zugunsten der Städte mit zentraler Funktion und die Abschaffung der Landesumlage.
2. · Befreiung der kommunalen Einlagen von der KESt.

An Stelle von Tarif- und Gebührenerhöhungen, die vor allem sozial Schwächere treffen, fordern wir eine stärkere Abschöpfung der Unternehmensgewinne.

1. · Nahverkehrsabgabe der Unternehmer zur Finanzierung des ÖPNV.
2. · Abschöpfung der Wertsteigerung von Grundstücken infolge von Umwidmungen oder von öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur.
Gemeinderat und Stadtregierung müssen durch ihr Beispiel zeigen, dass die Spargesinnung ernst gemeint ist. Deshalb fordert die KPÖ:

1. · Reduzierung der Zahl der Stadtsenatsmitglieder von 9 auf 7 .
2. · Begrenzung der Beschäftigtenzahl in den politischen Büros
3. · Reduzierung der Parteienförderung.
4. · Verhandlungen über eine Reduzierung der Politikerbezüge.

Wir haben auch Garantien gegen den Ausverkauf des städtischen Eigentums gefordert. Leider sind ÖVP und SPÖ einen anderen Weg gegangen.
Dass wirtschaftliches Denken in allen Bereichen Platz greifen muss und jede Ausgabe in Hinblick auf Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit überprüft wird, ist eine Selbstverständlichkeit. Die beiden KPÖ-Stadträtinnen haben beispielsweise bis jetzt alle Vorgaben zur Einsparung erfüllt. Aber in vielen Bereichen sind Kürzungen nicht möglich.
So werden den Wirtschaftsbetrieben 2007 Leistungen in der Höhe von 8 Mio ? nicht abgegolten und dies verringert natürlich das lfd. Defizit um diesen Betrag.
Auch die Position „Taktfahrplan“ der GVB, 2006 3,3 Mio ?, wurde gestrichen und schönt das Budget.
Positiv ist die Entwicklung der Ertragsanteilen mit einem Plus von 15 Mio ?.
Die Zunahme dürfte konjunkturell bedingt sein. Diese drei Beispiele ergeben zusammen eine vermeintliche Verbesserung um 26,3 Mio ? .

Umgekehrt wird man sich die Frage stellen müssen, ob alles von der Stadt Geleistete auch in Zeiten der Geldknappheit noch möglich ist.
Wenn wichtige kommunalpolitische Leistungen gekürzt werden, ist z.B. eine Beteiligung der Stadt an der Messe zu hinterfragen.
Eine breite Diskussion darüber, welche städtischen Aufgaben unverzichtbar sind, und wie sich das auf die Finanzplanung auswirken muss, wird nicht geführt.

Seit dem Jahr 2004, als das Projekt „Aufgabenkritik zur Haushaltskonsolidierung“ startete, sind alle Abteilungen angehalten, die Möglichkeiten von Einsparungen zu prüfen.

In vielen Bereichen ist jetzt die Grenze des Möglichen erreicht. In den nächsten drei Jahren sollen die Kürzungen aber fortgesetzt werden. Damit würde aber selbst die Erfüllung von Pflichtaufgaben nicht mehr vollständig gewährleistet werden können.
Mit den jährlich geschnürten Paketen hat die Stadt praktisch ihr gesamtes Liegenschafts-Vermögen einschließlich des Rathauses, der Parks und Spielplätze an die GBG übertragen – ein „echter“ Verkauf großer Teile davon ist nur eine Frage der Zeit.
Was als „Sanierung“ hingestellt wird, bedeutet in Wahrheit einen Ausstieg aus dem Kommunalwesen.

Die Stadt hat nicht nur einige ihrer Aufgaben in Gesellschaften ausgegliedert sondern auch die Schulden in der Höhe von 700 Mio ?.
Am Beginn der laufenden Gemeinderatsperiode wurde ein sogenanntes Beteiligungscontrolling installiert und von Stadtrat Riedler eine Überprüfung der Gesellschaften hinsichtlich ihres Unternehmenszweckes angekündigt. Eine Kosteneinsparung und Effizienzsteigerung innerhalb des Konzerns – wenn man die städtischen Gesellschaften so bezeichnen darf - können wir nicht feststellen.
Der Jahresverlust der Gesellschaften beträgt über 30 Mio ?, der notwendige Zuschuss an die 26 Gesellschaften wird 2007 fast 62 Mio ? betragen.

Ich möchte mich bei der Betrachtung der Beteiligungen auf die Grazer Stadtwerke AG und die Grazer Bau- und Grünlandsicherungsgesellschaft beschränken.
Die öffentliche, in den Medien ausgetragene Diskussion der beiden Präsidenten des Aufsichtsrates der Grazer Stadtwerke AG zeigt uns, in welcher schwierigen Lage sich der Leitbetrieb der Stadt Graz seit dem Verkauf des Energiebereiches befindet.
Die Verschuldung der Grazer Stadtwerke AG beträgt 221 Mio ? und der Abgang im Verkehrsbereich von über 30 Mio ? kann aus eigener Kraft nicht mehr finanziert werden.
Bund, Land und Stadt dürfen sich nicht aus ihrer Verantwortung für den öffentlichen Verkehr verabschieden, die Einführung einer Nahverkehrsabgabe durch die Unternehmer ist daher unumgänglich.
Einen weiteren möglichen Verkauf der restlichen 49 % der Energiebereiche der Stadtwerke werden wir mit allen Mitteln bekämpfen.

Die GBG wird überwiegend als Geldbeschaffungsgesellschaft benötigt und mit ihrer Hilfe wurden in den letzten Jahren mittels fünf Immobilienpaketen in der Höhe von 314 Mio. ? die jeweiligen Budgets im Nachhinein gerettet.
Die Gesamtverschuldung dieser Gesellschaft beläuft sich auf 377 Mio. ?, der Tilgungszeitraum für diese Kredite wird mit 45 Jahren prognostiziert. Die nächsten Generationen des Gemeinderates und die Grazer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sind damit belastet und werden keinen finanziellen Spielraum haben.

Die Budgetkürzungen wirken sich inzwischen zwar einschneidend aus, sie bewirken allerdings keineswegs eine Sanierung der Finanzen. Diesbezügliche „Erfolgsmeldungen“ des Finanzreferenten sind völlig unangebracht, entsprechen keinesfalls der Realität und können nicht über die ernste finanzielle Situation der Stadt hinwegtäuschen.
Eine zusätzliche Belastung entsteht der Stadt Graz durch die Abführung der Landesumlage.
Während das Land Niederösterreich auf die Einbehaltung der Landesumlage verzichtet und Oberösterreich und Tirol den vom Gesetz möglichen Prozentsatz nicht ausschöpfen, wird Graz trotz seiner schwierigen finanziellen Situation voll zur Kasse gebeten.
Die KPÖ fordert daher ganz entschieden die Abschaffung der Landesumlage.

Wir müssen den Problemen ins Auge sehen und feststellen: Ohne eine Änderung der Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene können wir unsere Probleme nicht lösen. Es gibt schon viele gute Vorschläge des Städtebundes mit diesem Ziel. Papier ist allerdings sehr geduldig. Was wir von der KPÖ vermissen, das sind gemeinsame Aktionen, die sich auch gegen die eigenen Leute in Bund und Land richten müssen. Ein Wahlkampfstreik aller Grazer Parteien bei der Nationalratswahl hätte sicher eine größere Wirkung gehabt als das Auftreten auf gemeinsamen Wahlkampftribünen am Hauptplatz.

Leider ist es auch so, dass es Kommunalpolitiker gibt, die auf die ernste Situation der Stadt Graz vergessen, wenn sie um eine Ebene aufsteigen. Dabei habe ich vor allem unseren ehemaligen Stadtrat Buchmann im Auge, der als Finanzlandesrat kaum einen Finger für uns rührt.

Umgekehrt ist es so, dass die Mehrheit der Stadtregierung positive Initiativen des Landes im Interesse der Stadt nur halbherzig oder gar nicht unterstützt. Ich denke dabei an die bevorstehende Neufassung des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes. Die Initiative dazu geht auf Ernest Kaltenegger zurück, der auch im Landtag nicht vergisst, was er im Gemeinderat und im Stadtrat gefordert hat.
Es geht dabei darum, dass Fälle wie der Abbruch des Kommod-Hauses nicht noch einmal vorkommen dürfen. Die Altstadt von Graz ist ein Weltkulturerbe. Wie wichtig es ist, diesen Titel zu erhalten, hat die positiv zu Ende geführte Diskussion um das Projekt Dachausbau Kastner& Öhler gezeigt.

Stadträtin Kahr hat im abgelaufenen Jahr die Verantwortung für das Wohnungsamt gut wahrgenommen. Es ist gelungen, das Sanierungsprogramm „Ein Bad für jede Gemeindewohnung“ fortzusetzen. Die Standardanhebung mit dem Schwerpunkt Heizungseinbau ist auch ein Beitrag zur Lösung des Feinstaubproblems. Das Ergebnis kann man in der Triestersiedlung sehen. Mit dem innovativen Projekt Grünanger wurde neuer Wohnraum geschaffen, es gibt eine neue, allgemein verständliche und in 8 Sprachen übersetzte Hausordnung für die Gemeindewohnungen, die Privatisierung der Gemeindewohnungen wurde bisher erfolgreich verhindert.
Gleichzeitig ist es notwendig, neuen Wohnraum zu schaffen.

Nicht aus eigenem Versagen wird die Gruppe jener Menschen, die keine Arbeit haben, die mit kleinen Pensionen leben müssen, die zu Billigstlöhnen arbeiten und die für ihre Kinder nicht dieselben Ausbildungsmöglichkeiten haben, immer größer.
Gerade diese Gruppe an Menschen gerät aber immer mehr unter Druck und wird vor allem durch die steigenden Kosten am privaten Wohnungsmarkt buchstäblich in die Armut gedrängt.
Die Ansuchen um eine leistbare Gemeindewohnung haben sich in den letzten Jahren verdoppelt. Demgegenüber stehen aber zu wenige freie
Gemeindewohnungen.
Seit Jahren weist die KPÖ auf die Notwendigkeit hin, dass angesichts des steigenden Bedarfs an leistbaren Gemeindewohnungen rechtzeitig
Grundstücke für den sozialen Wohnbau sichergestellt werden müssen.
Bisher sind wir mit diesen Hinweisen größtenteils auf taube Ohren gestoßen.
Die GBG, die unter anderem deshalb gegründet wurde, um für die Stadt Wohnbaugrundstücke zu sichern, ist in dieser Hinsicht kaum tätig geworden. In den letzten 10 Jahren wurden lediglich 2 Grundstücke für den sozialen Wohnbau angekauft.
Von Seiten des zuständigen Beteiligungs- und Liegenschaftsreferenten Stadtrat Riedler wurden bisher keine wirksamen Initiativen gesetzt. Die Stadt kommt hier ihrer sozialen Verpflichtung rechtzeitig gegenzusteuern, nicht nach und überlässt den Wohnbau zur Gänze dem freien Markt, den Banken und den großen Baufirmen.

Wenn dieses Problem von SPÖ und ÖVP noch weiter hinausgeschoben wird, sorgt der Markt für explodierende Grundstückskosten und die Anzahl jener Menschen in Graz, die keine leistbare Wohnung finden werden und dadurch von Obdachlosigkeit bedroht sind, wird ansteigen.
Mit dem einstimmigen Beschluss für Gemeindewohnungen auf Kasernengrund hat der Gemeinderat im Februar eine wichtige Meinungsäußerung abgegeben. Diese Forderung ist von mehr als 5000 Grazerinnen und Grazern unterstützt worden. Die KPÖ hält es für sinnvoll, die neue Regierung aufzufordern, Grundstücke wie die Hummelkaserne oder die Kirchnerkaserne der Stadt Graz zu günstigen Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Auch das Land Steiermark ist aufgefordert, hier einen Beitrag zu leisten.

Wir leben in einer Zeit, in welcher der Gegensatz zwischen Arm und Reich immer deutlicher sichtbar wird. Eine Gesellschaftsordnung, in der 2 Prozent der Weltbevölkerung 50 Prozent des weltweiten Vermögens besitzen, kann nicht das letzte Wort der Geschichte sein. Auch in Österreich gibt es 60.000 Euro-Millionäre, die über 200 Milliarden Euro verfügen.
Dieser Wohlstand muss gerecht verteilt werden. Dafür tritt die KPÖ ein. Wir wollen keine Lobby für Banken, Konzerne und für Betreiber von Glückspielsalons sein, sondern für die Menschen eintreten, denen es nicht so gut geht.

Der vorliegenden Haushaltsvoranschlag wurde im Rahmen einer Pressekonferenz von Bürgermeister Nagl, Vizebürgermeister Ferk und Stadtrat Riedler ohne Nennung von Zahlen als großer Wurf gefeiert und die Finanzlücke von rund 50 Mio. ? schöngeredet. Es wurde uns wieder die Lösung, wie diese Lücke 2007 geschlossen werden soll, vorenthalten.
Die öffentliche Diskussion und Verunsicherung von vermeintlich Betroffenen von zukünftigen Geldbeschaffungsaktionen wird uns wie in den letzten Jahren begleiten und die Befürchtung von weiteren Verkäufen und Privatisierungen wird sich vermutlich bestätigen.
Einem Budget, welches auf so gläsernen Fundamenten steht, können und wollen wir nicht zustimmen.
Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit

14. Dezember 2006