»Der fünfzehnte Femizid in diesem Jahr ist ein Ruf«
Foto: © Sigrid Schönfelder
Am 2. Dezember 2025 versammelten sich hunderte Grazer:innen beim feld*stellen für eine Gewaltfreie Zukunft, um sie für die Sicherheit, die Rechte und für ein gewaltfreies Leben von Frauen und Mädchen einzusetzen. Deutliche Worte zum 15. Frauenmord in diesem Jahr fand KPÖ-Klubfrau Sahar Mohsenzada.
Liebe Anwesende,
wir stehen heute hier, weil wir schon wieder eine Frau verloren haben. Der 15. Femizid in diesem Jahr. Es ist ein Satz, der sich kaum mehr aussprechen lässt, ohne dass einem die Stimme bricht. Hinter dieser Zahl steht ein Mensch, eine Frau mit Träumen, mit einer Familie, mit einem Leben, das nicht hätte so früh enden dürfen.
Wir die hier stehen, wissen: Es ist kein einzelnes Schicksal, keine tragische Ausnahme. Jede dritte Frau in Österreich erlebt ab ihrem 15. Lebensjahr körperliche oder sexuelle Gewalt. Monatlich werden drei Frauen ermordet. Drei Leben. Jeden Monat. Meist durch Partner oder Familienangehörige, also Männer, die ihnen am nächsten standen.
Gewalt von Männern gegen Frauen kennt keine Grenzen. Und ich werde nicht müde zu erwähnen, dass sie in allen sozialen Schichten stattfindet, in allen Nationen, Familienmodellen und Berufsgruppen.
Und wenn eine Frau ermordet wird, sprechen wir zurecht von einem Femizid: Denn diese Taten sind keine zufälligen Einzelfälle. Sie sind Ausdruck eines Systems, das Frauen abwertet, das patriarchale Machtstrukturen noch immer toleriert und das Gewalt gegenüber Frauen nicht konsequent genug verhindert.
Ich stehe heute hier nicht nur als Gemeinderätin, sondern als Frau. Als jemand, der weiß, wie es ist, mit Angst im Bauch durch eine dunkle Straße zu gehen. Als jemand, der erlebt hat, wie oft Frauen ihre Grenzen erklären müssen, wie oft ihr nicht geglaubt wird, wie oft sie sich selbst schützen müssen in einer Welt, die das nicht ausreichend tut.
Wir alle kennen Frauen, die betroffen sind. Viele erzählen uns ihre Geschichten nie. Viele schweigen, weil sie sich schämen, weil sie Angst haben, weil sie nicht wissen, wohin sie sich wenden können. Und genau deshalb dürfen wir nicht schweigen.
Der fünfzehnte Femizid in diesem Jahr ist ein Ruf - ein lauter, schmerzhafter, nicht zu überhörender Ruf. Ein Ruf, der uns an die globale Bewegung erinnert, die auch hier heute mitschwingt: Ni Una Menos – nicht eine weniger. Kein weiteres Leben, das wir hergeben. Keine weitere Frau, deren Namen wir nachtrauern müssen.
Für jede Frau, die nicht mehr sprechen kann.
Für jede, die heute Angst hat.
Und für eine Zukunft, in der keine weitere Frau ihr Leben verliert, nur weil sie eine Frau ist.
Ni Una Menos!
Veröffentlicht: 3. Dezember 2025