Für Frieden, Demokratie und Sozialismus!
Rede von Robert Krotzer zum 8. Mai 2025
Aus Anlass des 80. Jahrestages der Befreiung vom Nazi-Regime hat die KPÖ Steiermark zu einer besonderen Festveranstaltung im Volkshaus Graz geladen. Im Mittelpunkt des Abends stand die ORF-Dokumentation „Partisanen der Eisenstraße“, die vom mutigen Widerstand gegen das NS-Regime in der Obersteiermark erzählt. Ergänzt wurde das Programm durch die Festrede vom KPÖ-Landesvorsitzenden Robert Krotzer.

„Als wir schon ziemlich nahe an diese mörderische Todesmaschine Auschwitz gekommen waren, hat mein Papa durch eine kleine Öffnung einen Bahnbeamten gefragt, ob von hier auch Transporte woanders hingingen, worauf der Beamte nur mit dem Daumen hinauf zum Himmel zeigte und sagte: ‚Ja, nach da oben durch den Kamin, der 24 Stunden brennt. Dorthin gehen die Transporte.‘ Ich habe dies zufällig mitgehört, und mein armer Papa, als er das hörte, hat sofort Bauchkrämpfe und Durchfall bekommen. Ich habe zusehen müssen, wie mein großer starker Papa, der für mich der Mutigste und Stärkste auf der Welt war, sich auf diesen Scheißkübel setzte, mit großer Scham sich die Hose auszog und vor allen Menschen auf diese erniedrigende Weise aufs Klo ging. Für mich brach die Welt zusammen. Mein Gedanke war sofort, dass wir ins Gas gehen, aber auf welche Weise? Würde man uns quälen, bis wir sterben? Schüttelfrost packte mich und auch meinen Papa.“
Diese Kindheitserinnerung eines Holocaust-Überlebenden will ich meinen heutigen Worten voranstellen. Es sind Berichte aus den Alltäglichkeiten der nazistischen Terrormaschinerie, der Shoah und des faschistischen Vernichtungskrieges, die das Grauen jener Zeit vor nun über 80 Jahren vielleicht greifbarer machen können als Zahlen.
Diese beschriebene Todesangst, die Erschütterung und die nackte Panik mussten in jenen Jahren Millionen Menschen erleben: Antifaschist:innen und Widerstandskämpfer, Jüdinnen und Juden, Romnja und Sinti, Soldaten und Soldatinnen sowie Kriegsgefangene, wobei hier Angehörige der Rotem Armee besonders zu nennen sind, da sie die größten Opfer im antifaschistischen Befreiungskampf getragen haben, die Zivilbevölkerung der Sowjetunion, Polens oder Sloweniens, die den Nazis als „rassisch minderwertig“ galten, Partisaninnen und Partisanen, Menschen mit Behinderung oder homosexuelle Menschen.
Sie alle lebten unter der Herrschaft des Nazi-Faschismus in beständiger Angst, dass ihr Leben jederzeit ausgelöscht werden kann. 60 Millionen Tote und halb Europa in Schutt und Asche, das war die Bilanz vor 12 Jahren des vermeintlich „tausendjährigen“ braunen Reichs. In Erinnerung an die Opfer von Faschismus und Krieg und auch in Würdigung der rund 2.000 Mitglieder der KPÖ, die ihr Leben im Kampf um die Befreiung der Menschheit und für ein freies, demokratisches Österreich gegeben haben, bitte ich euch, euch für eine Schweigeminute von den Plätzen zu erheben.
Liebe Gäste, liebe Freund:innen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen!
Mit der heutigen Veranstaltung der KPÖ Steiermark wollen wir besonders auf einen lange Zeiten „blinden Fleck“ der offiziellen österreichischen Geschichtsschreibung aufmerksam machen. Mit der jahrzehntelang wirksamen „Opfer-These“ des offiziellen Österreichs wurde nämlich nicht nur ausgeblendet, dass unter den Vollstreckern, Henkern und Mördern des Nazi-Regimes zahlreiche Österreicher waren. Es wurde auch ausgeblendet, dass es mutige Menschen gab, die nicht etwa am Wiener Heldenplatz jubelten, sondern die unter Lebensgefahr Widerstand organisierten. Im März 1938 rief die Kommunistische Partei als einzige politische Kraft zum aktiven Widerstands gegen den sogenannten „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland auf und traten für ein freies, unabhängiges Österreich ein. Der Aufruf zum Widerstand des Zentralkomitees der KPÖ vom März 1938 wurde illegal in Betrieben und in den Wohnhäusern der einfachen Leute von Hand zu Hand gegeben. Darin hieß es:
„Volk von Österreich! Wehre Dich, leiste Widerstand den fremden Eindringlingen und ihren Agenten. Schließt Euch zusammen, Katholiken und Sozialisten, Arbeiter und Bauern! Schließt Euch zusammen, nun erst recht, zur Front aller Österreicher. [...] Zusammenstehen gegen Hitler, zusammenstehen, um Hitlers Soldateska aus Österreich wieder hinauszujagen!
Arbeiter, bleibt fest! Seid einig und bleibt treu den stolzen Traditionen der österreichischen Arbeiterklasse. Laßt Euch nicht beugen, trotzt dem Terror! Macht die Betriebe zu Zentren des Widerstandes! Laßt Euch den Gewerkschaftsbund nicht zerstören!“
Unter Einsatz ihres Lebens trotzten Antifaschistinnen und Antifaschisten dem Terror der Nazis. Sie verteilten illegal Flugschriften gegen die Nazi-Herrschaft wie unsere Genossin Maria Cäsar in Judenburg. Sie sammelten Spenden für die Familien inhaftierter oder ermordeter Antifaschist:innen wie unsere Genossin Anna Čadia in Leoben. Sie organisierten Hilfe und retteten Menschenleben selbst in der Hölle der Konzentrationslager wie unser Genosse Franz Leitner in Buchenwald. Sie trotzten der Haft und den Schlägen der Gestapo wie unser Genosse Willi Gaisch. Sie gaben Flugblätter heraus, die die Bevölkerung über den Massenmord an Menschen mit Behinderung aufklärten wie unsere Genossen Karl Drews und Herbert Eichholzer. Sie machten anderen Antifaschist:innen Mut mit Texten und Schriften, wie unser Genosse Richard Zach. Sie kämpften in den Reihen der Internationalen Brigaden für die Freiheit der Spanischen Republik wie unser Genosse Josef Maas. Sie organisierten auch auf steirischem Boden bewaffneten Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft, wie unsere Genossen Sepp Filz, Silvester Heider oder Max Muchitsch. Sie sabotierten die Nazi-Kriegsindustrie und besorgten Nachschub und Versorgung für die Partisanen, wie unsere Genossin Mathilde Auferbauer. Sie verhinderten als Widerstandskämpfer Zerstörungen etwa der Grazer Mur-Brücken in den letzten Kriegstagen wie unser Genosse Ferdinand Kosmus.
Dass all die Genannten Mitglieder der Kommunistischen Partei Österreichs waren, ist kein Zufall. Die KPÖ nahm eine zentrale Rolle in der Organisation des antifaschistischen Widerstandskampfs ein und orientierte dabei entlang der Volkfront-Strategie der Kommunistischen Internationale auf ein breites Bündnis mit sozialdemokratischen, bürgerlichen, katholischen oder auch monarchistisch gesinnten Antifaschistinnen und Antifaschisten. Mit dem Blutzoll von über 2.000 ermordeten KPÖ-Mitgliedern trug sie damit wesentlich zu jenem Beitrag der österreichischen Bevölkerung zu ihrer Befreiung bei, die die alliierten Staaten USA, die Sowjetunion und Großbritannien in der Moskauer Deklaration für ein Wiederstehen eines unabhängigen Österreichs einforderten.
Aber auch ein zweiter „blinder Fleck“ soll an einem Tag wie diesem benannt werden. Dieser „blinde Fleck“ trägt etwa die Namen Siemens, Thyssen oder Krupp. Sie stehen stellvertretend für kapitalistische Großkonzerne, die Hitlers Nazi-Partei schon in den 1920er-Jahren mit großen Geldbeträgen bedachten und so die großen Propagandawellen der NSDAP wie auch die Uniformen der SA-Schlägerbanden finanzierten. Das deutsche Großkapital versprach sich von der faschistischen Herrschaft einerseits die blutige Unterdrückung einer selbstbewussten und kampfbereiten Arbeiter:innen-Bewegung, andererseits eine Ankurbelung der Rüstungsindustrie und einen Eroberungskrieg samt gewinnbringenden Raubzügen durch ganz Europa. Hitler selbst versprach den Großindustriellen in mehreren Unterredungen noch vor 1933 die „Ausrottung des Bolschewismus“, namentlich der starken KPD, und stellte ihnen Milliardenprofite durch Aufrüstung und Krieg in Aussicht. Der Vertreter konservativer Parteien, die den Weg in den Faschismus wohlwollend oder naiv begleiteten, entledigte er sich rasch nach der Machtübertragung an die NSDAP, die federführend von Großindustrie und Reichswehr eingeleitet wurde.
Wäre es vermessen, hier Parallelen zum Jetzt und Heute zu ziehen?
„Wehret den Anfängen? Wir sind schon mittendrin“, diese Worte sprach schon vor etlichen Jahren die Auschwitz-Überlebende und Kommunistin Esther Bejarano aus, angesichts des internationalen Vormarsches rechter, rechtsextremer und neofaschistischer Kräfte.
Trump, Milei oder Meloni als Staatschefs, die FPÖ auf Platz 1 und Parteien wie die AfD oder der Rassemblement National am Marsch dorthin. Sie alle sind nicht vergleichbar mit dem historischen Faschismus, aber auch der internationale Vormarsch der Rechten ist gekennzeichnet von einer Verrohung der Sprache, von menschenfeindlichen Haltungen, vom Schüren des Hasses durch Lügen und Sündenbock-Denken, von einem antidemokratischen, anti-aufklärerischen und antihumanistischen Ungeist, vom Propagieren einfacher Lösungen durch einen starken Mann.
Die Aufmarschplätze der extremen Rechten werden längst auch wieder von ökonomischen Eliten und der vermeintlich bürgerlichen Mitte gepflastert. Kapitalistisches Profitstreben ohne Rücksicht auf soziale, demokratische oder ökologischer Errungenschaften trifft auf rohe Bürgerlichkeit, in der das Recht des vermeintlich Stärkeren, sprich des Reicheren, gilt. So wird der internationale Rechtsruck zum Ausdruck eines Übergangs zu einem „autoritären Kapitalismus“. Mit harter Hand soll so bürgerliche Herrschaft und Hegemonie wiederhergestellt werden, wo die sozial- und wirtschaftspolitische Verheerungen des Neoliberalismus das Vertrauen der Bevölkerung tief erschüttert haben.
Rechte machen Politik für Superreiche und lenken mit Rassismus vom Kern ihrer Politik ab. Wir können dieses Schauspiel gegenwärtig insbesondere in den USA beobachten, in dem sich neben Trump und Vance mit Musk, Zuckerberg oder Bezos die reichsten Männer der Welt stolz präsentieren. Aber auch hierzulande gibt es offene Verfechter einer autoritären Gangart des Kapitalismus, wie der Präsident der Industriellenvereinigung Georg Knill, der aus seiner Präferenz für eine Blau-Schwarze Koalition keinen Hehl gemacht hat. Das Kapital weiß auch heute nur zu gut, dass es in der extremen Rechten treue Verbündete hat, wenn es um Extra-Profite durch Angriffe auf die Errungenschaften der arbeitenden Menschen geht.
„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ ist für uns keine leere Floskel, sondern ein täglicher Auftrag:
Angesichts der politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen unserer Tage werden in den kommenden Jahren große Aufgaben auf uns zukommen. Während sich die strukturelle Krise des Kapitalismus zuspitzt und angesichts leerer öffentlicher Kassen mit drastischen Kürzungsmaßnahmen für die Mehrheit der Bevölkerung zu rechnen ist, wollen die Herrschenden auf militärische Aufrüstung im großen Stil. Damit hoffen die Eliten die kränkelnde Wirtschaft anzukurbeln. In Wahrheit befeuern sie damit aber die Kriegsgefahr, vertiefen die ökologische Krise und verschärfen die sozialen Probleme, da Milliarden an Steuermitteln nicht etwa in Soziales, Gesundheit, Wohnen oder Bildung fließen, sondern in totes und potentiell todbringendes Metall. Zugleich heizen rechtsextreme und neofaschistische Kräfte in Österreich wie international die Gangart eines autoritären Kapitalismus an, der mit entmenschlichter, rassistischer und demagogischer Rhetorik humanistische, soziale und ökologische Errungenschaften angreift. Unsere Antwort darauf muss ein klassenorientierter und klassenbewusster Antifaschismus sein, der die Politik der Rechten demaskiert als eine Politik für Superreiche, Konzerne und Banken. Die arbeitenden Menschen werden sich der Politik der Rechten dann entgegenstellen, wenn sie erkennen und wissen, dass sich deren neoliberale Politik drastisch gegen die Interessen der Arbeiter:innenklasse richtet.
Hier wollen wir als KPÖ mit allen fortschrittlichen Kräften eine entscheidende Rolle in der Aufklärung und Organisierung der arbeitenden Menschen spielen und zugleich Bruchstellen finden, die Menschen in Bewegung bringen für ihre sozialen Interessen – gegen neoliberale Eliten, rechte Politik und militärische Aufrüstung.
Unsere Hoffnung liegt im Aufbau von Widerstandsstrukturen in Österreich, Europa und weltweit. Nur durch Widerstand von unten können die Angriffe des Kapitals auf soziale und demokratische Errungenschaften abgewehrt werden, faschistische Optionen verhindert und das kapitalistische System schließlich überwunden werden. Unser Ziel ist und bleibt es – mit Karl Marx gesprochen -, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist."
Wir kämpfen gegen Faschismus, Kapitalismus und Krieg – für Frieden, Demokratie und Sozialismus!
Freiheit!
Veröffentlicht: 13. Mai 2025