Graz hält zusammen

Gestern versammelten sich Tausende am Grazer Hauptplatz, um gemeinsam zu trauern und ein Zeichen des Zusammenhalts zu setzen. Inmitten von Schmerz und Sprachlosigkeit zeigt sich eines ganz klar: Zusammenhalt gibt Hoffnung. Folgend eine Botschaft von Bürgermeisterin Elke Kahr:

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Elke Kahr bei der Gedenkveranstaltung "Graz hält zusammen".

Liebe Grazerinnen und Grazer, liebe Schülerinnen und Schüler des BORG Dreierschützengasse, liebe Pädagoginnen und Pädagogen, liebe Eltern, Angehörige und Freunde!

Danke, dass gestern so viele Menschen auf den Grazer Hauptplatz gekommen sind, um mit den Opfern und ihren Angehörigen gemeinsam zu trauern. Graz hält zusammen!

Wir, die das reine Glück hatten, an diesem Tag an einem anderen Ort gewesen zu sein, können euch den Schmerz nicht nehmen. Wir wollen aber, dass ihr wisst, dass die Menschen in eurer, in unserer Stadt alles tun, um euch beizustehen. In dieser Trauer sind wir vereint.

Es ist gut, dass wir alle verschieden sein können, dass wir unterschiedliche Geschichten, Interessen und Meinungen haben. Aber wir sind alle Menschen, wir lieben unsere Kinder. Wir wollen alles tun, damit sie ihren Platz in unserer Gesellschaft, in dieser Welt finden. Diese Möglichkeit wurde ihnen genommen. Diese Endgültigkeit ist kaum zu ertragen.

Wir müssen fragen, woher dieses Unbehagen kommt, die seelischen Verletzungen, die im schlimmsten Fall in Gewalt explodieren. Warum es uns nicht gelingt, uns gegenseitig zu stärken, statt uns viel zu oft klein, verächtlich und lächerlich zu machen. Viele haben sich daran gewöhnt oder damit abgefunden, dass Hass und Gewalt Teil unseres Lebens sind, auch wenn es meist Worte und Gesten sind, die verletzen, und nicht Waffen. Viele schauen weg, wenn Menschen beleidigt, abgewertet, mit abfälligen Worten verwundet werden. Und wenn wir uns daran gewöhnen, ist es nur ein kleiner Schritt zur Eskalation. Das ist nicht die Gesellschaft, in der wir leben wollen.

Was in diesen Tagen so stark spürbar ist – diese Empathie, das Mitgefühl für andere, auch wenn wir sie nicht persönlich kennen; der gemeinsame Wunsch, dass diese Ungerechtigkeit nie geschehen wäre; der Traum, in einer Welt ohne Hass und Gewalt zu leben – das sollte als Erinnerung an diesen Tag bleiben und uns allen Mut machen.

Noch scheint der Tag in weiter Ferne, an dem wir alle wieder nach vorne schauen können. Es ist verständlich sich einfach wieder Normalität zurückzuwünschen. Aber diese Normalität konnte am 10. Juni niemanden schützen. Nach vorne schauen heißt, zu fragen, was wir verändern müssen, dass sich unsere Kinder und Jugendlichen in dieser Welt, in dieser Gesellschaft, sicher und wohl fühlen können. Das sind wir ihnen schuldig.

Ich danke Ihnen sehr für Ihr Mitgefühl, Ihren Mut und Ihre Solidarität!

Veröffentlicht: 16. Juni 2025