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Konstruktiv und konsequent: KPÖ im Grazer Rathaus

Rede von Elke Kahr in der konstituierenden Gemeinderatssitzung

Elke Kahr

Konstruktiv und konsequent: Die KPÖ im Grazer Rathaus

Rede in der konstitutierenden Sitzung des Grazer Gemeinderates
13.3. 2008

Die Gemeinderatswahl am 20. Jänner hat die politische Situation in Graz stark verändert. Dazu gehört auch, dass die KPÖ erstmals seit dem Jahr 1988 nicht dazu gewonnen, sondern Stimmen und Mandate verloren hat.
Wir nehmen dieses Ergebnis sehr ernst und hoffen, dass wir in der vor uns liegenden Periode einiges an Vertrauen wieder zurückgewinnen können. Schließlich ist es eine Tatsache, dass auch bei dieser Wahl die Beteiligung weiter gesunken ist.
Und es muss uns allen zu denken geben, wenn etwa 85.000 Menschen in unserer Stadt nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, während die 43.000 Stimmen für die stärkste Partei in diesem Hause als großer Erfolg angesehen werden.

Für die sozial Schwachen

Die KPÖ wird ihren eingeschlagenen Weg weiter fortsetzen: Wir verstehen uns als Interessensvertretung der sozial Schwachen, als Partei der Mieterinnen und Mieter, und als Partei der arbeitenden Menschen.
Gerade ihre Anliegen, Forderungen und Sorgen dürfen in diesem Hause nicht in Vergessenheit geraten. Urbanität und ein modernes Herangehen an gesellschaftliche Probleme sind oft verwendete Worte, die aber die großen sozialen Fragen ausblenden. Unserer Meinung nach muss man sich gerade heute einer Tatsache bewusst sein: Fehlentwicklungen in der Gesellschaft und vor allem ihre Verursacher müssen konkret benannt werden. Wir müssen eine Politik machen, die darauf gerichtet ist, dass sich nicht eine winzige Minderheit die Ergebnisse der Arbeit der großen Mehrheit der Bevölkerung aneignet.
Das war und ist die Haltung der Grazer KPÖ. Wir treten bei Wahlen nicht an, um hochdotierte Posten zu ergattern, sondern um eine nützliche Arbeit für die Bevölkerung zu leisten, im Rathaus, aber auch in der Öffentlichkeit, gemeinsam mit Bürgerinitiativen und sozialen Bewegungen.

Die Mehrheitsverhältnisse im Rathaus haben in den vergangenen Perioden mehrmals gewechselt. Die KPÖ wird im Stadtsenat und im Gemeinderat, die Anliegen der Schwächeren in unserer Gesellschaft bestmöglichst vertreten. Bei dieser Arbeit wird die KPÖ auch weiterhin eine berechenbare Kraft bleiben. Unsere Linie ist klar und unzweideutig. Mit dem Argument des Sachzwangs wurden in der Vergangenheit schon viele Wahlversprechen gebrochen. Wir jedoch meinen: Es sollte auch einen Sachzwang zur Glaubwürdigkeit geben.
Uns geht es um den Erhalt des städtischen Eigentums, um den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs, der aber auch für alle, die darauf angewiesen sind, leistbar sein muss. Finanziert sollte er durch eine Nahverkehrsabgabe von den Unternehmen (ähnlich der Wiener U-Bahnsteuer) werden. Wir möchten endlich den Sozialpass für Familien und Personen mit geringen Einkommen verwirklicht sehen, damit - um nur ein Beispiel zu nennen - die Eintrittspreise in den städtischen Bädern wieder leistbar sind.
Und wir treten konsequent für das Recht auf leistbares und menschenwürdiges Wohnen ein.
Dabei geht es uns um den Erhalt der Gemeindewohnungen, um die Sanierung der Gemeindewohnungen und um die Schaffung von neuem Wohnraum mit Einweisungsrecht der Gemeinde. Gerade dieses Gebiet darf man nicht den Gesetzen des Marktes überlassen.
Heutzutage wird den Menschen viel abverlangt. Die Mietpreise (gerade in der Steiermark) und die Lebenserhaltungskosten explodieren. Deshalb sollte die Politik mit gutem Beispiel vorangehen muss und Privilegien abschaffen. Wir sind deshalb nach wie vor für die Verkleinerung des Stadtsenates von 9 auf 7

Tragbare Vereinbarung

Davon haben wir uns auch bei den Gesprächen leiten lassen, die nach der Bildung der Schwarz-Grünen Koalition in Graz notwendig geworden sind. Nach mehreren Gesprächsrunden zum Kapitel Wohnen sind wir zu gemeinsamen Formulierungen auf diesem Gebiet gekommen, die jetzt festgeschrieben wurden und wir so in dieser Form auch mittragen können.
In den kommenden 5 Jahren wird es in Graz keine Privatisierung oder Ausgliederung der Gemeindewohnungen geben, das Wohnungssanierungsprogramm wird fortgesetzt, ÖVP und Grüne haben verbindlich zugesagt, neue Grundstücke bereitzustellen und es soll auch zur teilweisen Verwirklichung unseres Zieles „Gemeindewohnungen auf Kasernengrund“ kommen, um nur einige Punkte zu nennen. Dieses Ergebnis ist tragbar. Die Gespräche haben gezeigt, dass man bereit war sich mit dem Thema Wohnen auseinanderzusetzen. Bleibt zu hoffen, dass dieses Ergebnis auch in den kommenden Budgets seine materielle Grundlagen bekommen wird.

Handschrift der Unternehmer

Bedeutet die Unterschrift der KPÖ unter das Kapitel Wohnen, dass unsere Partei der schwarz-grünen Koalition im Rathaus insgesamt zustimmt? Nein, das bedeutet es nicht. Es wäre zwar sicherlich als Gedankenspiel interessant zu beobachten, wie die Grazer ÖVP gegenüber anderen konservativen Parteien in Europa die Zusammenarbeit mit einer kommunistischen Partei rechtfertigen würde, aber es ist beiden Seiten klar, dass uns politisch, ideologisch und gesellschaftlich gesehen sehr viel trennt.
Dabei geht es nicht darum, ob die Handschrift in diesem Papier grün, schwarz oder grau ist.
Man sieht aber an vielen Punkten, dass die ÖVP sehr genau darauf geschaut hat, dass die Interessen jener Gesellschaftsschicht, die sie vertritt, nicht zu kurz kommen. Es ist schließlich so, dass die privaten Abfallverwertungsfirmen,
Immobilienfirmen und Projektentwickler zur ÖVP einen weit direkteren Zugang haben als zur KPÖ.
Wir sehen – um nur zwei Beispiel zu nennen – die angedachte Übertragung der Wirtschaftsbetriebe an die Stadtwerke und die Pläne, die für die städtische Müllabfuhr überlebenswichtige Andienungspflicht für gewerbliche Abfälle zur Diskussion zu stellen, in diesem Licht.
Auch die Tatsache, dass der Schutz der Altstadt und ein unabhängiger Altstadtanwalt im Koalitionsvertrag keine Würdigung gefunden haben, während beim ECE ein „Kompromiss“ gefunden wurde, der im Interesse der Betreiber ist, deutet in diese Richtung.
Die Stadt Graz ist kein Konzern und kein Unternehmen, ihre Bediensteten sind keine Manager, ihre Einrichtungen dürfen kein Gabentisch für Investoren sein. Die Stadt ist ein Gemeinwesen, das zum Wohle ihrer Bewohnerinnen und Bewohner funktionieren sollte. Angesichts der negativen Erfahrungen mit Privatisierungen und Ausgliederungen in anderen Städten wenden wir uns entschieden gegen alle Versuche, städtisches Eigentum zuerst zu filetieren und auszugliedern sowie anschließend zu privatisieren.
Beim städtischen Vermögen handelt es sich nicht um den Privatbesitz von Politikern, sondern es gehört allen Grazerinnen und Grazern.

Anknüpfen an Machtpolitik

Eines sieht man schon jetzt ganz deutlich: Die Vorgangsweise von schwarz/grün bei der Besetzung von Aufsichtsräten drückt ein Denken aus, dass nahtlos an die Machtpolitik vergangener Jahre anknüpft.
Es ist sehr problematisch, wenn man im Namen stärkerer Zugriffsrechte die Kontrollmöglichkeiten der Gemeinderatsfraktionen und des Gemeinderates insgesamt einschränkt. Aufsichtsräte sind Kontrollorgane und nicht der verlängerte Arm der Regierung. Das ist der Grund, warum die KPÖ in der vergangenen Periode stets für die Anträge – u. a. auch der Grünen – gestimmt hat – die zum Ziel hatten, dass alle Gemeinderatsklubs in den Aufsichtsräten vertreten sein sollten.
Das ist unsere prinzipielle Haltung, die wir einnehmen, unabhängig davon, ob wir daraus einen Vorteil ziehen oder nicht. Wir haben nicht vergessen, wie es ist, zu arbeiten, wenn man von allen Informationen völlig ausgeschlossen ist. Deshalb waren und sind wir unter allen Bedingungen für Information und Kontrolle.
Als Ausdruck unserer Kritik an den Grundlinien der Politik von schwarz grün werden wir weder dem Vorschlag für den Bürgermeister noch dem Vorschlag dieser Koalition für die Vizebürgermeisterin zustimmen. Hingegen werden wir bei der Vizebürgermeisterwahl aus demokratiepolitischen Gründen in den ersten beiden Wahlgängen den von der zweitstärksten Wahlpartei vorgeschlagenen Kandidaten unterstützen.

Selbstverständlich akzeptieren wir das Ergebnis demokratischer Wahlen und nehmen die Vorschläge für die Nominierung der Mitglieder der Stadtregierung zur Kenntnis. Das wird auch bei unserem Verhalten bei der Abstimmung über die einzelnen Stadtsenatsreferenten zum Ausdruck kommen.

Großer Schaden für Graz

Unsere Sitzung findet am 70. Jahrestag der Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland statt. Für mich war das Auftreten der Zeitzeugin Maria Cäsar als Vertreterin des Widerstands gegen die Nazis auch deshalb so beeindruckend und persönlich berührend, weil sie vor 25 Jahren meine ersten Schritte in der Grazer KPÖ begleitet hat.

Wahrscheinlich morgen wird eine Stadträtin angelobt werden, die durch ihre Hetze im Wahlkampf das Ansehen unserer Stadt in Mitleidenschaft gezogen hat.
Das sieht man auch daran, dass dieses Rathaus heute praktisch eine Festung geworden ist. Die Verantwortung dafür tragen einzig und allein Frau Winter und die FPÖ. Ich bin seit 1993 Mitglied des Gemeinderates. Noch nie hat es eine Konstituierung unter derartigen Rahmenbedingungen gegeben. Das ist die Konsequenz der FP-Politik. Zuerst hat man gezündelt, jetzt jammert man über die Folgen der eigenen Verantwortungslosigkeit.

In diesem Wahlkampf ist aber von Seiten der FP und des BZÖ viel mehr passiert. Man hat den Alltagsrassismus salonfähig gemacht und damit großen Schaden angerichtet – was das Zusammenleben der Menschen in unserer Stadt betrifft.
Besonders schäbig war der Versuch, die korrekte, unparteiische und ausschließlich am Wohnungsvergabesystem orientierte Arbeit der Bediensteten des städtischen Wohnungsamtes in Zweifel zu ziehen.
Ich nutze die Gelegenheit, um ihnen hier und heute für ihre Arbeit zu danken. Diese ist in den letzten Jahren nach der Umsetzung der Richtlinie über den Zugang zu kommunalen Wohnungen nicht leichter geworden. Dabei muss man wissen, dass diese Richtlinie von FP-Minister Böhmdorfer mitbeschlossen und von der BZÖ-Sozialministerin Ursula Haubner, der Schwester von Jörg Haider, per Verordnung in den österreichischen Rechtsbestand umgesetzt wurde. Die selben Parteien, die sicht jetzt mit Hetze hervortun, wissen ganz genau, dass ihre eigenen Leute aus gutem Grund an diesen Bestimmungen mitgewirkt und sie unterschrieben haben.

Gebietsbetreuung: Konkreter Vorschlag

Wir haben die Verpflichtung, auf diesem Gebiet nach Lösungen zu suchen, und dürfen die Menschen nicht gegeneinander aufhetzen.
Deshalb halten wir den Anlauf für eine umfassende Gebietsbetreuung für so wichtig, den die neue Stadtregierung gemeinsam mit der KPÖ vereinbart hat.
Ob Nationalismus und Rassismus die Oberhand behalten oder ob es weiterhin ein Zusammenleben aller Menschen ohne große Konflikte gibt, wird nicht auf Tagungen und Seminaren entschieden, sondern an Ort und Stelle – in unseren Wohnsiedlungen in Graz.
Deshalb schlagen wir vor, geeignete Räumlichkeiten, die wir auch vom städtischen Wohnungsamt zur Verfügung stellen würden, beispielsweise am Grünanger oder in der Triestersiedlung ,für den Zweck der Gebietsbetreuung zu widmen, und so rasch wie möglich mit dieser wichtigen Arbeit zu beginnen. Das sind wir den Menschen schuldig, die von uns Lösungen für konkrete Probleme verlangen.

Allein das Beispiel des Wohnens zeigt, wie sehr Beschlüsse der EU das Leben in unserer Gemeinde mitbestimmen, von den Maastrichtkriterien, über die Dienstleistungsrichtlinie oder die Liberalisierung der Daseinsvorsorge.
Der neue EU-Vertrag bringt auch für die Gemeinden keine Besserstellung, sondern Verschlechterungen, außerdem wird darin auch der Aufrüstungskurs für Österreich festgeschrieben und die Neutralität in Frage gestellt.
Deshalb treten wir für eine Volksabstimmung über diesen Vertrag ein, gemeinsam mit 52 überparteilichen Organisationen, die am 5. April mit einer Menschenkette vor dem Parlament für diese Forderung demonstrieren werden.
Es wäre gut, wenn sich auch der Gemeinderat der steirischen Landeshauptstadt zur Unterstützung einer Volksabstimmung über den EU-Vertrag durchringen könnte.

Unser Anspruch

Die KPÖ wird auch in der neuen Funktionsperiode eine konstruktive Kraft im Grazer Gemeinderat sein: Sachlich, konsequent, aber immer auf der Seite der Leute, die im politischen Getriebe sehr oft vergessen werden. Die KPÖ ist keine Partei für die Mächtigen und Reichen. Wir bleiben auch weiterhin die Partei für die Schwächeren in unserer Stadt und für die arbeitenden Menschen. Für sie und mit ihnen wollen wir uns auch weiterhin einsetzen und für eine solidarische und soziale Stadtentwicklung arbeiten. Das ist unser Anspruch. An ihm wollen wir gemessen werden.

13. März 2008