Archivierte Artikel: Die enthaltenen Informationen sind möglicherweise veraltet.

"Sozialjahr" - und was dahintersteckt

Kommentar von Stadträtin Elke Kahr - rotcrowd

Nagl und sein Sozialjahr

Es gibt in Graz sehr viele Probleme. Ein Bürgermeister muss sich in seinem Verantwortungsbereich darum kümmern, dass es den Menschen besser geht und dass soziale Gerechtigkeit Vorrang hat. Bürgermeister Nagl ist in unserer Stadt für die Raumplanung, das Bauamt und für die Integration zuständig.
Angefangen von den Ungewissheiten bei den Reininghausgründen über den Missstand, dass mitten in unserer Stadt schützenswürdige Bauwerke verfallen, bis hin zur Tatsache, dass auch unter der schwarz/grünen Stadtregierung keine wirksamen Maßnahmen gegen den Alltagsrassismus unternommen werden, gibt es daher viele Ansatzpunkte, damit der Bürgermeister konkrete Vorschläge für die Verbesserung der Lage macht.

Nagl handelt – ein Jahr vor der Gemeinderatswahl – anders. Er fordert ein verpflichtendes Sozialjahr für Jugendliche beider Geschlechter begründet das damit, dass es bei uns einen „Anspruchsstaat“ geben würde und die Jugendlichen bis 27 der Gesellschaft „auch etwas zurückgeben“ sollten.

Die Verantwortlichen für Krise und Sozialabbau, die Leistungskürzer und Belastungsspezialisten fordern jetzt eine Art Arbeitsdienst, damit das Versagen der Politik auf die Mehrheit der Bevölkerung abgewälzt werden kann. Verbrämt wird das mit salbungsvollen Floskeln, die wir aus dieser Ecke – der katholisch-konservativen – immer wieder hören.
Kein Wunder, dass viele Menschen dagegen sind und ihre Stimme erhoben haben. Nagl hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Jetzt will er, dass sie von den anderen geschrieben werden.

Das ist die eine Seite der Angelegenheit, die inhaltliche. Es gibt aber auch eine andere. Nagl weiß ganz genau, dass ein Sozialjahr nicht in seine Kompetenz fällt. Wie schon so oft, geht es ihm vor allem um die Schlagzeilen in den Zeitungen und um die anschließende Diskussion. Dass damit das gesellschaftliche Klima nach rechts verschoben wird, stört ihn nicht – im Gegenteil. Oft geht es darum, von nicht so gelungener Performance abzulenken.
Am Deutlichsten war das 2010 nach der Landtagswahl, als Nagl mit basisdemokratischen Vorschlägen vom schlechten Grazer VP-Ergebnis ablenken wollte.

Weil wir diese Taktik kennen, haben wir jetzt nicht auf der Stelle aufgeregt reagiert. Wir haben aber eine klare Haltung dazu. Es geht nicht an, die Verantwortung von der Politik auf eine nach den Vorschlägen der klerikal-konservativen Geistesrichtung zugeschnittene Bürgergesellschaft abzuwälzen, die noch dazu praktisch gratis wichtige Aufgaben übernehmen soll. Und das in einer Zeit, in der SPÖ und ÖVP gerade dort riesige Kürzungen durchziehen.

12. Januar 2012