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Weit über 10.000 Ratschläge für Menschen in Not

Kleine Zeitung berichtet über die Arbeit von Stadträtin Kahr

20.000 Ratschläge
in höchster Not

Die Armut wohnt auch in Graz: Seit 2005 hat Wohnungsstadträtin Elke Kahr (KP) 20.000 Termine mit Grazern in Not absolviert.

Zum „Jubiläum“ schreit sie Alarm: In letzter Zeit sei es schlimmer geworden.

Es geht immer um Zimmer, Küche und Kabinett – und um jene Schwelle, die zwischen dem Grad-noch-über-die-Runden-Kommen auf der einen und der völligen Verzweiflung auf der anderen Seite liegt. Dabei sind nicht selten bloß ein paar Euro oder die Frage, ob der Boiler noch läuft, ausschlaggebend.

Ja, die Armut wohnt auch in Graz – „und in letzter Zeit ist es schlimmer geworden“, meint Elke Kahr. Es ist ein „Jubiläum“, das die KPÖ-Wohnungsstadträtin nun Alarm schreien lässt: „Von November 2005 bis heute waren 10.000 Termine mit Grazerinnen und Grazern in Not in meinem Kalender eingetragen. Und da ich nicht alle Beratungen eintrage, waren es in Wahrheit sicher doppelt so viele Gespräche.“

Tatsächlich gehört Kahrs Büro im zweiten Stock zu den bestbesuchten Räumlichkeiten des Grazer Rathauses: Vor allem dienstags und donnerstags wird unzählige Male an die Tür geklopft. „Eines der größten Probleme ist, dass sich viele eine Kaution für die Wohnung nicht leisten können“, so die Stadträtin.

„Immer mehr junge Leute“

Mittlerweile würden auch Studenten, Selbstständige und Akademiker um Hilfe schreien – „und in den letzten Jahren sind immer mehr junge Leute darunter“.

Daher fordert Kahr mehr denn je gesetzlich festgelegte Mietzins-Obergrenzen, die Einführung eines Kautionsfonds – und hofft inständig auf den Fortbestand der Wohnbeihilfe in der jetzigen Form. „Sollte das Land Steiermark tatsächlich daran rütteln, wäre das ein Wahnsinn! Für viele ist die Beihilfe das Netz zum Erhalt des Wohnraumes.“

Die Grazer KP-Chefin warnt auch davor, die Augen zu verschließen: „Es heißt ja immer, dass es in Graz keine Obdachlosigkeit gibt. In Wahrheit aber haben wir eine versteckte Wohnungslosigkeit, von der sehr wohl viele betroffen sind. Diese kommen halt ständig irgendwo und irgendwie unter.“

Zur Not hilft Kahr nach wie vor mit eigenem Geld aus – dafür verwendet sie monatlich 3600 Euro von ihrem Gehalt (bloß 1800 Euro behält sie). Ein Vorgehen, das ihr regelmäßig harsche Kritik einbringt: Diese ach so soziale Rolle sei alles, was sie auf Lager hat, heißt es. An Visionen und Weitblick lasse sie als Stadträtin jegliches Engagement vermissen.

„Wir sind innovativ, die Gemeindewohnungen sind so gut beieinander wie seit 60 Jahren nicht“, ärgert sich Kahr. „Aber abgesehen davon bin ich eh lieber eine Politikerin, die hilft, statt dauernd nur was anzukündigen.“

(Kleine Zeitung, Region Graz, 16. 11. 2010)

16. November 2010