»Für Frieden und Gerechtigkeit!« | Rede von Claudia Klimt-Weithaler am 1. Mai 2024

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Claudia Klimt-Weithaler auf der 1.-Mai-Demonstration der KPÖ in Graz.

Liebe Genoss:innen, liebe Freund:innen!

Es ist schön, dass so viele Menschen heute gekommen sind und gemeinsam ein Zeichen setzen: Ein Zeichen für Frieden und Gerechtigkeit! Seit 138 Jahren wird der 1. Mai als Internationaler Kampftag begangen. Sein Ursprung geht zurück auf einen Generalstreik, der 1886 in den USA stattgefunden hat, um den 8 – Stunden – Tag durchzusetzen. In Chicago dauerte der Streik mehrere Tage an und endete blutig.

In Österreich ist der 1. Mai seit 1949 als Staatsfeiertag gesetzlich verankert und ist ein Tag der Solidarität und für uns ein Symbol für soziale Gerechtigkeit, bessere Arbeitsbedingungen, ein leistbares Leben und Frieden für alle Menschen. Deshalb sind auch wir heute wieder auf der Straße.

In den letzten 100 Jahren hat sich die Arbeitswelt selbstverständlich verändert und durch den Einsatz von Maschinen und Technologien ist vieles einfacher geworden. Und dennoch muss man feststellen, dass sich die Arbeitsbedingungen nicht kontinuierlich verbessert haben.     Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass kürzere Arbeitszeiten mühsam erkämpft wurden, gerade aber in den letzten Jahren Stillstand eingetreten ist. Mehr noch: Das Pensionsalter wird immer weiter erhöht und mittlerweile sollen wir 41 Stunden arbeiten, wenn es nach der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung geht.

Für unsere Großeltern war es noch selbstverständlich, dass ihre Arbeitszeit immer weniger wurde – von 48 auf 45 Stunden, später auf 40 Stunden und 1985 haben die meisten Branchen die 38,5 Stunden-Woche eingeführt – so ist das heute anders. Seit 40 Jahren hat sich bei der Arbeitszeit nichts mehr bewegt, dabei stellen wir heute knapp doppelt so viel her, wie in den 1980er Jahren.

Bei jeder Arbeitszeitverkürzung haben Industrie und Wirtschaft vor dem Untergang gewarnt und das tun sie auch heute und fordern sogar: wir sollen mehr arbeiten. Der wirtschaftliche Untergang ist durch Arbeitszeitverkürzung jedoch nie eingetreten, im Gegenteil: Unsere Produktivität ist gestiegen und wächst ungebrochen. Doch das, was wir mehr erwirtschaften, wird nicht gerecht verteilt. Die Konzerne machen große Gewinne, die Löhne und Gehälter der Arbeitenden steigen nicht.

Für viele Menschen wird es immer schwieriger, die Kosten des täglichen Lebens zu tragen, während die Profite der Konzerne und der Superreichen ins Unermessliche steigen. Der Kapitalismus steckt in einer tiefen Krise und das, liebe Genoss:innen und liebe Freund:innen, gilt es aufzuzeigen und für Gerechtigkeit zu kämpfen! 

Erst in der Vorwoche gab es wieder eine Hiobsbotschaft aus dem Magna-Werk: Nachdem bereits im Dezember mehrere hundert Menschen ihre Arbeitsplätze verloren haben, sollen nun 500 weitere folgen. Die Mitarbeiter:innen von Magna Steyr haben 2023 im Grazer Werk brutto 115 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet, das kann man dem Geschäftsbericht entnehmen. Zum Dank setzt der Konzern jetzt 500 weitere Beschäftigte vor die Tür. Das ist Kapitalismus! Für Graz und die Steiermark steht viel auf dem Spiel. Und deshalb sehe ich die Landesregierung in der Pflicht, die Initiative zu ergreifen und mit Magna und dem ÖGB einen Plan zu entwickeln, wie die Abhängigkeit des Betriebes von der strauchelnden Automobilbranche verringert werden kann. Damit würde auch der sozialdemokratische Landeshauptmann-Stv. Anton Lang seiner Losung ein Stück näherkommen, denn auf seinen Plakaten steht, dass er für eine Steiermark arbeiten möchte, in der es allen gut geht. Das ist ein schönes Ziel, aber Plakate alleine genügen nicht, wir wollen Taten sehen!

Und wenn uns Landeshauptmann Drexler ausrichten lässt, dass – Zitat– „In einer Zeit, in der wir vom Hilfsarbeiter bis zum Primarius und von der Facharbeiterin bis zur Lehrerin händeringend Arbeitskräfte suchen, kann sich eine generelle Arbeitszeitverkürzung nicht ausgehen“, dann müssen wir ihm ausrichten, dass fehlendes Personal auch immer etwas mit Rahmenbedingungen zu tun hat! Und Rahmenbedingungen sind kein Naturgesetz, sie können verändert werden, wenn es dafür politischen Willen gibt!

Und dazu braucht es Druck von unten. Und dieser Druck von unten wirkt: Das haben wir bei den Elementarpädagog:innen und -betreuer:innen ebenso gesehen, wie bei den Pflegekräften: Sie haben längst überfällige Gehaltserhöhungen und verbesserte Rahmenbedingungen bekommen. Weil wir hartnäckig dafür gekämpft haben und weil es große Proteste gegeben hat. Die Gehaltserhöhungen sind erste Schritte in die richtige Richtung und wir werden weiter an ihrer Seite kämpfen!

Und der Zeitpunkt dafür ist gut: Die Tatsache, dass die „Babyboomer“ nun in Pension gehen und Stellen nicht mehr so leicht nachbesetzt werden können, verschiebt sich das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen zugunsten der Beschäftigten. Nur in solchen Phasen, wo der Hebel nicht bei den Konzernen, sondern bei den Leuten liegt, können die Arbeitsbedingungen verbessert werden.

Und das ist dringend notwendig, dennf ür viele Menschen wird die Arbeit immer intensiver, die Grenzen zur Freizeit verschwimmen. Der Leistungsdruck steigt, weil von immer mehr Menschen erwartet wird, dass sie für ihre Firma ständig erreichbar sind. Alles andere muss untergeordnet werden, nicht zuletzt die eigene Gesundheit. Und wer zugibt, dass die persönlichen Grenzen längst erreicht sind, muss sich um den Arbeitsplatz fürchten. Viele arbeiten auch deshalb „freiwillig“ in der Freizeit, weil sie die Arbeitsmenge sonst gar nicht bewältigen können. Das ist Kapitalismus!

Wir wollen kürzer arbeiten, besser und gesünder leben! Arbeit darf nicht krank machen und mit dem Lohn muss man sich das Leben leisten können. Deshalb muss unsere Forderung lauten: Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich!  

Wenn wir am „Tag der Arbeit“ für Frieden und Gerechtigkeit ein Zeichen setzen, dann gilt es auch der unbezahlten Arbeit, die nach wie vor überwiegend von Frauen gemacht wird, Raum zu geben. Über 400.000 Frauen in Österreich geben an in Teilzeit zu arbeiten, weil sie Betreuungspflichten haben.

Care – also Sorge-Arbeit zu leisten verdient mehr Zeit, mehr Geld und mehr Wertschätzung. Wir brauchen mehr öffentliche und gemeinnützige Care-Leistungen und es muss uns bewusst sein, dass Care-Arbeit -  Arbeit und Einkommen schafft und damit Wertschöpfung für uns alle bedeutet.

Care-Arbeit braucht darum öffentliche Investitionen und eine gerechte, faire Verteilung zwischen Frauen und Männern. Das eröffnet mehr Spielräume für alle. Wir müssen diese Tätigkeiten ins Zentrum von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft rücken. In diesem Zusammenhang darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass der „Gender Pay Gap“ endlich geschlossen werden muss. Dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer ist in keiner Weise zu rechtfertigen! Es liegt nicht an unterschiedlichen Ausbildungen und Abschlüssen, sondern an patriarchalen Strukturen. Diese müssen aufgebrochen werden und unsere Forderung muss lauten: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit!

Alle arbeitenden Menschen brauchen gute Bedingungen und faire Bezahlung, egal in welchem Bereich sie ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Wir kämpfen für die Arbeiterin im Betrieb, für die Pflegekraft im Krankenhaus, für den Sozialarbeiter, die Handelsangestellte, die Pädagogin, den Hilfsarbeiter, die Kulturarbeiterin. Unsere Unterstützung und unser Einsatz ist in der Gewerkschaft ebenso wichtig, wie für Interessensvertretungen bestimmter Berufsgruppen. Egal ob bei Kollektivvertragsverhandlungen oder der Forderung nach „Fair Pay“ für Kulturschaffende – wir als KPÖ müssen eine verlässliche Partnerin für die Beschäftigten sein.

Unsere Solidarität mit den arbeitenden Menschen spiegelt sich auch in guten Wahlergebnissen wider. Der Gewerkschaftliche Linksblock hat erst kürzlich bei der Arbeiterkammerwahl 2,2% dazugewonnen und hat in absoluten Stimmen am besten von allen Fraktionen abgeschnitten. Das Ergebnis ist das beste seit 1964 und dafür den Kolleg:innen herzliche Gratulation!          

Die Krisen der letzten Jahre machen uns das Leben schwer: die Pandemie mit all ihren Folgen, explodierende Wohn- und Energiekosten, steigende Preise für Lebensmittel, Krieg in der Ukraine, im Nahen Osten und Kurdistan und zunehmende Spannungen zwischen den Großmächten. Die Logik des Krieges beherrscht Politik und Medien, dazwischen aufgerieben werden die Menschen, die in den Kriegen sterben.

Österreichs Neutralität wird als „nicht mehr zeitgemäß“ dargestellt. Wer sich gegen Waffenlieferungen, Rüstungspolitik und einen NATO-Beitritt ausspricht, muss sich den Vorwurf der Naivität gefallen lassen. Wer für Frieden und Neutralität ist, gilt in manchen Kreisen als „Feindversteher:in“. Und das, obwohl neun von zehn Österreicher:innen ein deutliches „Ja“ zur Neutralität sagen.

Als Kommunistin, die vor allem durch die Friedensbewegung in den 1980er Jahren politisiert wurde, schmerzt es mich besonders, dass österreichische Politiker:innen unterschiedlicher Coleurs nicht mehr „den Traum vom Frieden“ träumen, sondern „den Traum einer EU-Armee in den Vereinigten Staaten von Europa“. Das muss uns zu denken geben, liebe Genoss:innen, liebe Freund:innen!

Weltweit werden Unsummen für Rüstung und Militär ausgegeben, auch in Österreich. Die Bundesregierung will die Militärausgaben bis 2027 um unglaubliche 85% steigern, neue Waffensysteme sollen angeschafft und Sky-Shield-Raketen stationiert werden. Dazu müssen wir laut und deutlich NEIN sagen. Wir brauchen Gemeindewohnungen statt Panzer, Lehrkräfte statt Eurofighter, Krankenhäuser statt Raketen!   

Wir sind nicht naiv, wenn wir uns mit all unserer Kraft gegen Aufrüstung, Kriegspolitik und die Aushöhlung unserer Neutralität einsetzen. Gerade in Zeiten wie diesen müssen Frieden und Völkerverständigung wieder zum Dreh- und Angelpunkt der österreichischen Außenpolitik werden. Das ist die Aufgabe für unser neutrales Österreich: sich für Verhandlungen stark zu machen, um Kriege zu vermeiden und zu beenden und eine neue Friedensordnung in Europa und der Welt zu entwickeln. Auch deshalb sind wir heute hier auf der Straße: Waffen liefern keinen Frieden! Wir stehen auf gegen den Krieg, für Abrüstung und ein atomwaffenfreies Europa! Dafür steht die KPÖ und der Zuspruch der Menschen wächst, wie man zuletzt auch bei den Wahlen in Salzburg und Innsbruck gesehen hat, wie auch bei der AK-Wahl.

Die Solidarität mit den arbeitenden Menschen und unseren Einsatz für ein leistbares Leben braucht es dringend, auch auf Ebene des Nationalrates. Noch nie war die Chance für die KPÖ so groß, ins Parlament einzuziehen und ich hoffe, wir schaffen es, denn auch dort braucht es eine Partei für die der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht der Profit!

Das gleiche gilt für die Landtagswahl in der Steiermark, die im November stattfindet. Wir haben als kleine Oppositionspartei viel erreichen können – höhere Gehälter für Elementarpädagog:innen und Pflegekräfte, den Rückkauf der Energie-Steiermarkanteile, die Erhöhung der Wohnunterstützung… Stellt euch vor, was alles möglich wäre, wenn wir im Landtag eine große Oppositionspartei sind!    

Schließen möchte ich mit einem Gedicht von Bert Brecht:
General, der Mensch ist sehr brauchbar.
Er kann fliegen und er kann töten.
Aber er hat einen Fehler:
Er kann denken.

Lasst uns denken und uns für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen!
Hoch die Internationale Solidarität!
Hoch der 1. Mai!

1. Mai 2023: Mit dem Blick von unten

01-05-23 Re­de von Bür­ger­meis­te­rin El­ke Kahr am In­ter­na­tio­na­len Tag der Ar­beit. Es ist wich­tig, ge­ra­de heu­te am 1. Mai zu zei­gen, wo­für wir ge­mein­sam ste­hen. Die­ser Tag steht für die KPÖ im­mer im Zei­chen der So­li­da­ri­tät und des Zu­sam­men­hal­tes der Ar­bei­te­rIn­nen­be­we­gung. Das ist für uns kei­ne lee­re Flos­kel und des­halb ist…

Elke Kahr: Was uns der 1. Mai bedeutet

29-04-23 Vie­le Pro­b­le­me kön­nen nur dann ge­löst wer­den, wenn auch die Re­gie­rung nicht mehr vor al­lem ei­ne Po­li­tik für die Ver­mö­gen­den macht; auch hier sind Ve­r­än­de­run­gen not­wen­dig.

Veröffentlicht: 3. Mai 2024