Budgetdebatte: Rede Sepp Schmalhardt
GR Sitzung am 13.12.2004
Gemeinderat Josef Schmalhardt
Bei uns wissen die Menschen, woran sie sind
KPÖ-Generalrede in der Budgetdebatte des Grazer Gemeinderates
Heute leugnet niemand mehr die ernste Finanzlage der Stadt Graz.
Im Vorfeld des Kulturhauptstadtjahres war das anders. Die Bedenken
– vor allem der KPÖ-Fraktion in diesem Hause – wegen
der Kosten und der Folgekosten wurden beiseitegeschoben. Das
Ergebnis ist bekannt.
Die beiden Parteien, die sich zu einem Arbeitsübereinkommen in der
Stadtregierung zusammengefunden haben, ÖVP und SPÖ, waren
(gemeinsam mit der FP) daran beteiligt, als Geld, das wir nicht
hatten, mit vollen Händen ausgegeben wurde. Jetzt predigen sie
Verzicht und Sparsamkeit.
Etwas ist aber richtig: Es gibt Ursachen für unsere Lage, die
nicht hausgemacht sind. Die Stichworte dafür sind bekannt:
EU-Stabilitätspakt, Maastricht, Getränkesteuerurteil, Steuerreform,
Finanzausgleich.
Hier haben wir es aber nicht mit einem unabwendbaren Schicksal der
Städte und Gemeinden zu tun. Wir sind einer europäischen Strategie
ausgesetzt, die im Interesse einer umfassenderen Kapitalverwertung
die nachhaltige öffentliche Daseinsvorsorge untergraben soll.
Das Maastricht- Budget zwingt zu Budget-Kunstgriffen und
versteckten teuren Kreditaufnahmen und der Spielraum wird immer
kleiner.
Die Abschaffung der Getränkesteuer wurde von den österreichischen
Unternehmern verlangt und durch ein Urteil des Europäischen
Gerichtshofs durchgesetzt. Sie reißt ein tiefes Loch in die Kassen
der Gemeinden – unter anderem deshalb, weil man bei den
Beitrittsverhandlungen darauf verzichtet hat, eine Ausnahmeregelung
durchzusetzen.
Die Finanzausgleichverhandlungen haben für unsere Stadt auch
nicht den gewünschten Erfolg gebracht, wie man überhaupt
feststellen muss, dass Bund und Land mit der Landeshauptstadt Graz
eher stiefmütterlich umgehen.
In der Wahlwerbung zur Gemeinderatswahl wurde sehr oft mit dem
Argument geworben, ein ÖVP Bürgermeister würde sich bei der Frau
Landeshauptfrau und beim Herrn Bundeskanzler beim Umsetzen von
Grazer Anliegen doch leichter tun, bis jetzt konnten wir dies nicht
feststellen.
Im Gegenteil: Immer wieder werden getroffene Zusagen nicht
eingehalten oder verzögert.
Viele zusätzliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wurden ohne
entsprechende finanzielle Abgeltung den Gemeinden übertragen und
belasten zusätzlich die Stadtkassen.
Hier müsste endlich ein Schulterschluss der betroffenen Kommunen
erfolgen und ein gemeinsames Vorgehen bis hin zu Protestaktionen
– Demonstrationen – und wenn nötig auch zu Streiks zur
Bewusstseinbildung bei den betroffenen Entscheidungsträgern
führen.
Es ist für mich ein Zeichen von gespaltenem Bewusstsein, wenn der
Bürgermeister oder der Finanzstadtrat in diesem Haus oft richtige
Worte über den Gang der Entwicklung finden, gleichzeitig aber ihre
Parteifreunde in Bund und Land bei den anstehenden Wahlkämpfen ohne
mit der Wimper zu zucken unterstützen.
Irgendwie müssen wir Mittel und Wege finden, damit man auch auf
dieser Ebene spürt, dass man mit der Stadt Graz nicht alles und
jedes machen kann.
Wir dürfen nicht mehr ohne Gegenwehr zuschauen, wie die nachhaltige
Daseinsvorsorge in Frage gestellt wird und sich alle willkürlich am
öffentlichen Eigentum bedienen .
Diese Entwicklungen waren bekannt, als man sich unter dem
Motto „ Graz darf alles“ in nicht oder schwer
finanzierbare Großprojekte stürzte.
Wir haben ein Kunsthaus, eine Murinsel, einen freistehenden
Lift,
ein teures Bürohaus am Mariahilferplatz und anderes mehr.
Von einer nachhaltigen Wirkung von „Graz 2003“ ist
weder im Steuertopf noch in der kulturellen Szene etwas zu merken,
nachhaltig ist lediglich der Geldbedarf.
Die damals im Gleichschritt marschierenden Stadtpolitiker Stingl und Nagl haben das Augenmaß für die Größe und damit auch für die Finanzkraft der Stadt aus den Augen verloren.
Wir sind keine Metropole sondern eine wunderschöne liebenswerte
Stadt mit 230.000 Einwohnern. Für verschwenderische Großprojekte
fehlt uns das Geld.
Dass Kunst und Kultur nicht mit betriebswirtschaftlichen Kennzahlen
bewertet werden kann, ist selbstverständlich und jedermann bekannt,
aber die Frage der Leistbarkeit sei doch erlaubt. Einen Freibrief
für Verschwendung sollte es für die jeweiligen Verantwortlichen
nicht geben.
Der „Steirische Herbst“ möge hier stellvertretend als
aktuelles Beispiel genannt werden.
Gleichzeitig werden Schulen geschlossen, die freien Theater eingeschränkt und viele Einrichtungen wie Bäder und Bibliotheken in Frage gestellt.
In diesem Zusammenhang muss ich namens der KPÖ festhalten, dass
die grundlegenden Entscheidungen im Rahmen der Aufgabenkritik ohne
Einbindung unserer Fraktion erfolgt sind. Man wollte beispielsweise
bei den Verhandlungen im Schloßbergrestaurant unter sich
bleiben.
Deshalb darf man die Aufrufe an unsere Seite, wir sollten doch
Verantwortung tragen , nicht zum Nennwert nehmen. SPÖ und ÖVP
wissen, dass Ernst Kaltenegger und die KPÖ für Privatisierungen von
öffentlichem Eigentum nicht zu haben sind. Wir müssen nach einem
Weg der Sanierung der Gemeindefinanzen suchen, der eine soziale
Stadtentwicklung weiterhin möglich macht.
Die Stadträte der KPÖ Kaltenegger und Monogioudis haben in ihren
Bereichen die vorgegebenen Einsparungsziele verantwortungsbewusst
umgesetzt und gezeigt, dass es möglich ist, eine grundlegende
Haltung auch unter äußerst schwierigen Bedingungen zu
bewahren.
Ein viel strapazierter Rettungsanker zur Lösung der Finanzmisere
ist der Verkauf von öffentlichem Eigentum.
Für uns stellt sich die Frage, mit welchem Recht die heutige Politikergeneration von Generationen geschaffenes öffentliches Eigentum ohne Rückhalt verkauft. Bei den letzten Wahlen haben sie dazu keine Berechtigung erhalten.
Begonnen hat es mit dem Verkauf der Energiebereiche der Grazer
Stadtwerke.
Die Grazer Bevölkerung hat sich mit mehr als 30.000 Unterschriften
(von KPÖ und Gewerkschaft gesammelt) gegen den Verkauf
ausgesprochen.
Alle Warnungen der KPÖ wurden in den Wind geschlagen und der
Zick – zack Kurs der SPÖ endete heuer in einen dringlichen
Antrag im Gemeinderat zum Rückkauf der Energiebereiche.
Alle Versprechungen zur Absicherung und zum Ausbau der GVB können
nicht eingehalten werden.
Die Aussagen von Bürgermeisterstellvertreter Ferk, dass kein
Euro aus dem Verkaufserlös zum Stopfen von Budgetlöchern sondern
zweckgebunden für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs verwendet
werden solle, ist mit dem heutigen Budgetbeschluss ins Reich der
Fabel einzuordnen.
Die noch vorhandenen 71,1 Mio. Euro werden im Budget 2005
versickern.
Weitere Ausgliederungen von Kanal und Abfallwirtschaft sind geplant und sollen das nächste Budget retten.
Finanziert soll dieser Deal mit dem Rest des 300 Mio € Kredites der Grazer Stadtwerke werden.
Beim Kanal sollte statt dessen die Frage der nicht mehr
vorhandenen Kanalrücklage und der bereits geplanten Bauvorhaben
einer Lösung zugeführt werden und endlich die Außenstände von
Anschluss – und Benützungsgebühr eingetrieben werden.
Hier werden Großbetriebe versteckt mit Steuergeldern
subventioniert.
Bei einer Schuldenlast von 600 Mio € darf für solche
Schlampereien kein Platz sein.
Die Abfallwirtschaft sollte aus Kostengründen wieder in eine
Hand – zu den Wirtschaftsbetrieben – gegeben
werden.
Die Einführung eines längst versprochenen ökologisch – und
sozial ausgewogenen Tarifsystems sollte endlich umgesetzt
werden.
Ich höre schon den Aufschrei der Müll-Lobby, aber die
Wirtschaftsbetriebe sollten gestärkt werden und offensiv in die
Zukunft gehen.
Hier ist weniger privat und mehr Gemeinde zum Wohle der Bürger
angesagt.
Die Verkaufsorgie geht weiter, so wurden drei Inmobilienpakete
im Wert von 150 Mio € zur GBG transferiert und mit nicht sehr
günstigen Krediten belastet.
Auch dieser Betrag versickert im Budget und die Belastung für die
Rückmietung von Schulen, Kindergärten, Theater, Schauspielhaus,
Sportplätze belastet künftige Budgets mit jährlich fast 10 Mio
€ und könnte bei negativer Entwicklung der Finanzmärkte
jederzeit erhöht werden.
Auf der einen Seite wird munter verkauft und im Gegenzug viel
Geld in Beteiligungen gesteckt.
Außer den Gesellschafteranteilen bei Gründung der jeweiligen
Gesellschaft werden auch noch jährlich erhebliche
Verlustabdeckungen in die 25 Gesellschaften gesteckt.
Auch Sonderzuschüsse sind laufend auf der Tagesordnung.
Dringliche Anträge - im Gemeinderat beschlossen- zur Überprüfung
von Gesellschaften hinsichtlich Sinn und Wirtschaftlichkeit der
Gesellschaft z.B. GPG, werden vom zuständigen
Regierungsmitglied – Stadtrat Rüsch – negiert und nicht
beantwortet.
Schlagwörter wie Beteiligungscontrolling helfen uns auch nicht
weiter, ein Umdenken in Richtung Eingliederung in vorhandene
Strukturen der jeweiligen Abteilungen der Stadt sollte ein
selbstverständlicher Auftrag an die Politik sein;
Der viel strapazierte Slogan „ weniger Staat, mehr
privat“ ist längst überholt .
Das nächste Ziel der Begehrlichkeit sind die
Gemeindewohnungen,
hier hat jetzt endlich BM Nagl mit offenen Karten gespielt und den
geplanten Verkauf zur Sanierung des Budgets 2006
eingestanden.
Der Ausgang der Volksbefragung wird von allen anderen Parteien in
diesem Haus zum Anlass genommen, um parteipolitisch motivierte
Schlussfolgerungen zu ziehen. Schon die ersten Kommentare von
Seiten des Bürgermeisters und des Finanzstadtrates zeigen aber,
dass eine Ausgliederung bzw. ein Verkauf der Gemeindewohnungen im
Raum stehen und unsere Befürchtungen mehr als angebracht waren.
Deshalb an dieser Stelle ein Dank an die 12.405 Grazerinnen und
Grazer, die uns durch ihre Teilnahme an der Wohnungsvolksbefragung
den Rücken gestärkt haben. Die nächsten Monate werden zeigen, wie
berechtigt unsere Warnungen vor dem Ausverkauf der Stadt waren und
sind. Wir werden weiterhin wachsam sein, um die Grundbedürfnisse
der Menschen abzusichern.
Bei uns wissen die Menschen, woran sie sind. Wir sind gegen den
weiteren Verkauf von öffentlichem Eigentum, wir kämpfen für eine
soziale Stadtentwicklung in allen Bereichen.
Deshalb muss sich Politik auf die Grundaufgaben der Gemeinde
besinnen und dafür Sorge tragen, dass die öffentlichen
Dienstleistungen leistbar für die Menschen unserer Heimatstadt zur
Verfügung stehen.
Wir sehen uns als Partner der Bevölkerung und dies merken auch die
vielen Menschen der Bürgerinitiativen und Aktivgruppen, wenn wir
ihre Anliegen vor Ort und im Rathaus vertreten und
vorbringen.
In diesen Sinne wollen wir auch in den kommenden Jahren für die
Menschen dieser Stadt arbeiten.
Die Koalition mit dem Bürger ist für uns wichtiger als die
Rücksichtnahme auf Lobbies, auf Banken, Versicherungen und auf die
jeweiligen Landes – oder Bundesparteien.
Bevor ich zum Schluss meiner Ausführungen komme, noch ein herzliches Dankeschön an die MitarbeiterInen aller Abteilungen des Magistrates für die hervorragende Unterstützung unserer politischen Tätigkeit hier im Hause und Ihnen werte KollegInnen der Stadtregierung und des Gemeinderates danke ich für die kollegiale und freundschaftliche Zusammenarbeit.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Unter Wahrnehmung der Verantwortung unseren Wählern gegenüber
werden wir nicht allen Teilen des vorliegenden Budgets
zustimmen.
Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.
Veröffentlicht: 13. Dezember 2004