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Das Lied vom Sparen oder: "Wer klopfet an?"

GRin Gertrude Schloffer: Rede in der Budgetdebatte des Grazer Gemeinderates

Gemeinderätin Gertrude Schloffer
Das große Lied vom Sparen oder „Wer klopfet an?“

KPÖ-Generalrede in der Budgetdebatte des Grazer Gemeinderates, 13.12. 2010

Die heutige Gemeinderatssitzung dient dazu, dass wir über den Voranschlag der Stadt Graz für 2011 diskutieren und ihn beschließen. Aber schon vor dem Beginn der Diskussion steht ihr Ergebnis fest. Es wäre ein Wunder, wenn wir hier im Gemeinderat das Konvolut des Budgets noch verändern könnten. Und es wäre von den einzelnen Mitgliedern des Gemeinderates auch zu viel verlangt, wenn wir uns alle in der kurzen Zeit, die uns zur Verfügung steht, in die Einzelheiten dieses Stoßes an Papier einarbeiten könnten. Dazu bedarf es einer Lesezeit, die länger sein müsste als ein paar Tage.

Die Politik der Rathauskoalition bestimmt auch die Zahlen, die in diesem Voranschlag zu finden sind. Deshalb ist es keine Überraschung, wenn ich ankündige, dass wir gegen dieses Budget (mit Ausnahme der Ansätze für das Wohnungsamt) stimmen werden.

Geld regiert die Welt
Heute wird vom Finanzreferenten wieder das große das Lied vom Sparen angestimmt. Dieses Lied ist in Graz nicht neu. Seit ich im Gemeinderat bin, haben wir ein „Konsolidierungsbudget“ nach dem anderen erlebt. Nicht nur ein Finanzstadtrat hat hier gesagt, dass er schon Licht am Ende des Tunnels sehen würde. Und was ist das Ergebnis dieser „Konsolidierung“? Unsere Schulden steigen auf 1,25 Milliarden Euro an, im Jahr 2015 sollen es sogar 1,4 Milliarden werden. Auch beim Bund und bei Land wird angeblich gespart und trotzdem gibt es immer höhere Schulden.
Was ist da los? Was steckt dahinter? Es gibt einen bekannten Spruch: „Geld regiert die Welt“ Man kann diesen Spruch auch so übersetzen: Statt dass die Finanzmärkte den Menschen dienen, dienen die Menschen den Finanzmärkten. Die Mehrheit der Bevölkerung muss die Kosten der Krise zahlen, Banken und Konzerne machen auch jetzt noch große Profite. Wenn die Stadt Graz Kredite aufnimmt, dann gibt es immer auch jemand, der die Zinsen kassiert, die wir aus Steuergeldern dafür aufbringen müssen.
Man redet von der Wirtschaftskrise. Ich sehe aber eher eine Gesellschaftskrise, die dahinter steckt: Im Überfluss des Kapitalismus gibt es weltweit immer mehr Menschen, die hungern müssen und kaum über die Runden kommen. Umverteilung gibt es nur von unten nach oben und nicht – wie es notwendig wäre und von der KPÖ gefordert wird – von oben nach unten.
Deshalb gibt es unterschiedliche Gründe und Schicksale, warum immer mehr Menschen auch in Graz beim Sozialamt als Bittsteller anklopfen.
Da kommt mir jetzt das passende Lied zur passenden Jahreszeit in den Sinn, das lautet: „Wer klopfet an? Oh zwei gar arme Leut! Was wollt ihr denn? Oh gebt mir Herberg heut! Oh durch Gottes Lieb wir bitten, öffnet uns doch Eure Hütten!“
Und die Antwort ist: „Oh Nein, oh Nein“. Und jetzt kommen noch die erbärmliche Gesellschaftskrise und die Milliardenpakete für den Euro dazu, so dass die Mittel für Barmherzigkeit fehlen.

Arm und Reich

Ich will hier keine Grundsatzdebatte anzetteln. Aber eine Sache dürfen wir nicht vergessen: Der Gegensatz zwischen Arm und Reich ist nicht nur in Amerika oder in der Dritten Welt zu sehen. Auch in Graz gibt es die Bilder von Wohlhabenden, die beispielsweise bei der Opernredoute vor den Fernsehkameras beweisen, dass Grazer Unternehmer nicht gerade am Hungertuch nagen. Und wir sehen ja Tag für Tag die Bilder von Empfängen mit üppigen Buffets oder von Events, die ein Heidengeld kosten, wer immer sie finanziert.
Das sei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern natürlich gegönnt. Die Überbleibsel von diesen Buffets landen ja eh wahrscheinlich im Marienstüberl und in diversen Vinzi-Einrichtungen, wo Mann und Frau diese Speisen ganz sicher noch am nächsten Tag konsumieren können.

Diese Feststellungen haben mit dem Budget der Stadt sehr viel zu tun. Es ist nämlich so, dass immer mehr Menschen bei uns als Bittsteller anklopfen – ob das beim Sozialamt oder bei Stadträtin Kahr ist – aber dass die Mittel immer weniger ausreichen, um die Not zu lindern.
Würde die Umverteilung richtig funktionieren, dann wären die vielen Sozialeinrichtungen nicht so überlastet und überfordert. Das Ziel der Grazer Politik muss es aber sein, auf eine gerechtere Politik hinzuarbeiten. Deshalb wäre es ja so wichtig, wenigstens den gemeinsam beschlossenen Sozialpass für Menschen mit niedrigem Einkommen rasch einzuführen!

Menschenrechte
Graz ist mit seinen Licht- und Schattenseiten auch eine liebenswerte Stadt. Es lässt sich hier weit besser leben als dies in manchen Medien und von einigen Parteien in diesem Haus während ihrer Kampagnen immer behauptet wird. Im nächsten Jahr feiern wir den 10. Jahrestag der Proklamation von Graz als Stadt der Menschenrechte. Damit verstehen wir uns als eine Vorzeigestadt, von denen es nicht viele gibt.
Menschenrecht: Das heißt für mich auch das Recht auf Wohnen!
Hier haben wir in den vergangenen Jahren einiges erreicht, es gibt aber auch auf diesem Gebiet noch sehr viel zu tun. Mit dem Ankauf des Areals der Hummelkaserne und dem neuen Kautionsfonds sind wir aber auf einem guten Weg und ich hoffe darauf, dass wir gemeinsam die großen Probleme bewältigen können, die uns durch die Kürzung der Wohnbauförderung des Landes und durch die drohende Verschlechterung der Wohnbeihilfe auferlegt werden.

Das Recht auf Arbeit gehört ebenfalls zu den Menschenrechten. Wer keine Arbeit in unserer Stadt findet, sei es in Geschäften, Büros, Werkstätten und Fabriken, der ist oft unsichtbar. Werden auch diese Menschen vom Herrn Bürgermeister eingeladen werden, wenn die Feier „Stadt der Menschenrechte“ abgehalten wird? Oder werden nur Leute eingeladen, die auf die Butterseite des Lebens gefallen sind?

Zu einer lebens- und liebenswerten Stadt zählt z. B. für mich auch, dass man durch die Stadt bummeln und ohne Konsumzwang eine öffentliche Toilette benutzen kann, in welcher ständig eine Person anwesend ist, die für Ordnung und Reinlichkeit sorgt. Das soll aber bitte in allen öffentlichen Toiletten so sein. Das kostet nicht die Welt, würde aber eine Kulturhauptstadt auszeichnen. Das ist aber nicht der politische Wille – und daher ist das auch im Budget nicht vorgesehen.
Zu einer liebens- und lebenswerten Stadt gehört für die KPÖ auch, dass Parkwächter eingesetzt werden. Wenn die Ordnungswache künftig ausschließlich die Kontrolle des Grünraums im Auge haben sollte, dann wäre das eine positive Entwicklung. Man soll nicht sagen, dass die KPÖ immer nur kritisiert. Wir nehmen auch zur Kenntnis, wenn etwas Vernünftiges beschlossen wird.
Deshalb freue ich mich auch, dass die Post vor wenigen Tagen einen Briefkasten in der Triestersiedlung montiert hat. Es hat zwei Anfragen im Gemeinderat und eine gewisse Unterstützung durch die Medien gebraucht. Das Wichtige ist aber: Ein kleines, aber wichtiges Anliegen der Bevölkerung ist umgesetzt worden.
Aber ein anderer Wunsch ist noch nicht verwirklicht: Die Aufstellung von WC-Kabinen oder „Designer-Klos“ in Parkanlagen und öffentlichen Spielplätzen. Für City of Design hat man sehr viel Steuergeld übrig. Diese Initiative, die von vielen Kindern und Eltern begrüßt werden würde, droht am „Kleingeld“ zu scheitern.

Die Stadt braucht vor allem für ihre Jugend eine Sporthalle für alle mit leistbarem Benützungsentgelt. Die Stadt braucht noch sehr viele überdachte Wartehäuschen für ÖV-Benutzer statt überdachter Radwege. Lassen wir die ÖV-Benutzer nicht im Regen stehen.
Haus Graz
Für viele Anliegen ist kein Geld da. Aber bei der Thalia stellt sich für die Gemeinderatsmehrheit die Frage der Finanzierung der Haftungsübernahme nicht. Das wurde schließlich Ruck-Zuck erledigt, obwohl viele Fragen offen waren und die Stadt 900.000 Euro für die Bühnen zur Verfügung stellen muss. Es ist ja nur um ein paar läppische Millionen Euro gegangen.
Daran, was finanziell auf uns im Zusammenhang mit den Reininghaus-Gründen zukommen wird, wage ich erst gar nicht zu denken.
Sauer stößt es mir immer noch auf, wenn ich an den Puch „Innovationspark“ denke. Dort gibt es noch immer jede Menge Freifläche für innovative Betriebe, die sich aber nicht und nicht einstellen wollen. Aber dafür sind ja so zukunftsweisende Einrichtungen wie ein Bierlager und das Puchmuseum vor Ort, wie mir Stadtrat Rüsch als Antwort auf meine Frage mitteilte.

Die Verantwortlichen der Stadt sind immer ganz stolz, wenn es um Einsparungen beim Personal geht und sie glauben, mit dem „Haus Graz“ eine Lösung für viele Probleme gefunden zu haben. Dabei zeigt sich schon jetzt, dass wir von der KPÖ mit unserer Kritik an diesem Ausgliederungskonzept nicht falsch gelegen sind.
Es pfeifen ja die Spatzen von den Dächern, dass es in diversen Abteilungen an Personal mangelt wie zum Beispiel im Referat barrierefreies Bauen, das personell unterbesetzt ist. Ein Ansuchen einer Dame mit Handicap um Aufnahme in das Magistrat liegt seit zirka 3 Jahren im Mitarbeiter-Pool beim Bürgermeister. Diese Dame wäre für die Arbeit in diesem Referat sehr geeignet, doch das Amt kann sie nicht aufnehmen, weil dadurch das Eckwert-Budget überschritten würde. Seit Februar dieses Jahres warte ich auf die Antwort auf eine Anfrage. Auch diesen Fall führe ich auf Personalmangel zurück.
Dabei brauchen wir zusätzliches Personal, beispielsweise in den Kinderbetreuungseinrichtungen, wo durch das verpflichtende Kindergartenjahr neue Herausforderungen an die Beschäftigten gestellt werden.
Gespart wird auch bei diversen Vereinen und Organisationen. Diese wissen oft nicht, wie sie weiterplanen sollen. Die zuständigen Mitarbeiter wissen oft nicht, ob sie in einem halben Jahr noch einen Job haben werden. Diese sind zum Großteil nur über Werkverträge angestellt. Man kann sie mit Zeitarbeitern oder Leasingpersonal vergleichen. Und wenn man erfährt, dass die GVB jetzt schon Leiharbeiter für Gleisbauarbeiten suchen, dann sieht man, wo gespart wird.
Für mich ist das ein Zeichen für Personalmangel und ein Hinweis darauf, wo und auf wessen Kosten in der Stadt gespart werden soll.
Nicht gespart wird bei der sogenannten Graz Holding mit ihren drei Geschäftsführern und ihren genehmigten Gehältern und Verträgen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Für mich zeigt das nur, dass Geld genug vorhanden ist, es wird aber vor allem oben ausgegeben. Dafür werden die Tarife für den Öffentlichen Verkehr erhöht. Das Volk wird sie eh zahlen – die Gagen der Manager.

Tarif- und Gebührenerhöhungen
Die KPÖ lehnt die Erhöhungen der Kanal- und Müllgebühren ab. Wir wenden uns gegen die Erhöhung der Strom-, Gas- und Fernwärmetarife.
Zusammen mit den Belastungspaketen von Bund und Land kommt auf die Mehrheit der Bevölkerung im kommenden Jahr einiges zu. Und es ist nicht gut, dass die Stadt Graz sich so gar nicht von den anderen unterscheidet.

Herr Bürgermeister, Herr Finanzstadtrat: Es hilft wenig, wenn Sie mit dem Finger auf den Bund zeigen und sagen, dass die Stadt diesmal nicht die Ausfallhaftung für das Streichkonzert der Regierung übernehmen wird. Der Finanzminister Josef Pröll kommt nicht von der Bumsti-Partei, er ist Ihr eigener Chef in der ÖVP.

Wir brauchen ein Umdenken in der Finanzpolitik. Das bedeutet: Schluss mit der Unterordnung unter die EU-Vorgaben.
Eine Umverteilung von oben nach unten ist notwendig: Wir brauchen ein Schuldenmoratorium für die Gemeinden. Es tut den Großkopferten nicht weh, wenn wir ein paar Jahre lang keine Zinsen für unsere Kredite zahlen.
Wir brauchen einen gerechten Finanzausgleich und die ersatzlose Streichung der Landesumlage.
Und wir brauchen eine Nahverkehrsabgabe der Unternehmer zur Finanzierung des Nahverkehrs und eine wirksame Besteuerung der Spielautomaten.

Zum Schluss: Alle reden von der Finanzkrise in der EU und anderswo. Dabei kassieren einige wenige gerade in der Krise ganz ordentlich. Die Kapitalisten sollten aber beim Verteilen ihres Vermögens dort ansetzen, wo die armen Leute sind, die keine Lobby haben. Machen sie es nicht, dann hätte die Politik die verdammte Pflicht, die ärmere Bevölkerung nicht mit Almosen abzuspeisen.
Dieser Verpflichtung wird der Voranschlag 2011 nicht gerecht.

Veröffentlicht: 13. Dezember 2010

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