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Die Macht des großen Geldes, die Stadt Graz und das Murkraftwerk.

Ein Gedankenexperiment von Robert Krotzer

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KPÖ-Gemeinderat Robert Krotzer: „Es wird immer deutlicher, dass sozialer, ökologischer und demokratischer Fortschritt nur gegen die Macht des großen Geldes, gegen den Kapitalismus durchsetzbar sind – in Graz, in Österreich und weltweit.“ Foto: Pia Schmikl

Nun wurde also am Donnerstag in der Sitzung des Grazer Gemeinderats der „Zentrale Speicherkanal“ um 64 Millionen Euro mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ gewissermaßen als Vorleistung für das Grazer Murkraftwerk beschlossen. Ein paar Überlegungen dazu.

Man nehme an, eine BürgerInneninitiative, eine soziale Einrichtung, eine Gewerkschaft oder eine politische Partei hätte einen Vorschlag im Interesse der Bevölkerung, der wahlweise mehr soziale Sicherheit, günstigen Wohnraum, Kinderbetreuungsplätze oder etwa mehr Grünraum schaffen würde. Man nehme ferner an, dieser Vorschlag würde 64 Millionen Euro kosten und hätte mittels Unterschriften die aktive Unterstützung von 30.000 GrazerInnen. Und man nehme schließlich an, ob der Dringlichkeit des Anliegens würde man fordern, dass dieser Vorschlag binnen einer Woche vom Gemeinderat beschlossen werden soll.

Man kann sich vorstellen, was passieren würde:
Die ÖVP als Bürgermeister-Partei würde in aller Vehemenz vor „überzogenen Forderungen“, „unverantwortlicher Schuldenpolitik“ und „Beschädigung des Wirtschaftsstandorts“ warnen. Die SPÖ hingegen würde in langen, schönen Reden die Wichtigkeit des Anliegens betonen, um es dann einmal mehr „mit Bauchweh“ abzulehnen. Und die FPÖ wiederum würde erst nichts sagen, dann eine Bevölkerungsgruppe zum Sündenbock erklären und die soziale Verbesserung schließlich mit ähnlichen Argumenten wie die ÖVP ablehnen. So ticken – etwas vereinfacht dargestellt – diese drei Grazer Parteien, wenn es um die Interessen der Mehrheit der Grazer Bevölkerung geht. Die großen Medien wiederum würden sich wahlweise über das Anliegen lustig machen, es für „verantwortungslos“ erklären oder es verteufeln.
Das Projekt also hätte ohne langen, hartnäckigen Druck von unten in Anbetracht der kapitalistischen Logik – Profite sind wichtiger als Menschen – kaum Chancen auf eine Umsetzung.

Ganz anders verhält es sich aber, wenn es um die Interessen des großen Geldes geht: Hier sind die 64 Millionen Euro an Steuergeldern plötzlich rasch vorhanden und werden in geradezu rasender Geschwindigkeit locker gemacht.
Bekannterweise plant die ‚Energie Steiermark‘ seit vielen Jahren ein Murkraftwerk in der Stadt Graz – ein ökologisch und wirtschaftlich höchst umstrittenes Projekt, das zurecht auf viel Widerstand stößt. Dieses Kraftwerk, dessen Bau noch heuer beschlossen werden soll (!), bedeutet eine Verschlechterung der Wasser- und Luftqualität, den Verlust von rund 8.000 Bäumen, die Vernichtung zahlreicher Pflanzenarten, Fische und Kleinlebewesen in der Stadt und eben auch teure öffentlichen Investitionen, die ohne Murkraftwerk gar nicht notwendig wären (...die man wesentlich sinnvoller im Interesse der Bevölkerung nutzen könnte!).

Derartige Einwände interessieren die Mächtigen aus Wirtschaft und Politik aber kaum. Als Vorleistung für dieses Murkraftwerk wurde von ÖVP, SPÖ und FPÖ nun in einer Ho-Ruck-Aktion der Bau eines „Zentralen Speicherkanals“ um 64 Millionen Euro aus öffentlichen Geldern beschlossen. Um sich nicht mit den Argument der KritikerInnen dieses Projekts auseinandersetzen zu müssen, war man noch nicht einmal bereit, die am 1. März stattfindende Sitzung des Naturschutzbeirats abzuwarten – soviel zur in großen Worten gefeierten „BürgerInnenbeteiligung“.
Die hinter dem Murkraftwerk stehende ‚Energie Steiermark‘ ist auf das Engste mit der steirischen Landespolitik verbandelt. Vergangenen Sommer gab es sogar Gerüchte, dass dort ein dritter Vorstandsposten geschaffen werden soll, um Voves‘ ehemaliger Büroleiterin einen lukrativen Posten zu schaffen, Voves selbst stand (steht?) als Aufsichtsratspräsident im Gespräch.  Eine Hand wäscht die andere – am besten mit öffentlichen Geldern, die plötzlich in Millionenhöhe ganz locker sitzen, während wir sonst um jeden fünfstelligen Betrag feilschen müssen.

Ob in der Stadt- und Landespolitik oder auf ganz großen politischen Bühnen, überall erleben wir die schier unendliche Macht des großen Geldes, die Umwelt und Menschenrechte, Demokratie und Sozialstaatlichkeit niederwälzt. Umgekehrt wird immer deutlicher, dass sozialer, ökologischer und demokratischer Fortschritt nur gegen die Macht des großen Geldes, gegen den Kapitalismus durchsetzbar sind – in Graz, in Österreich und weltweit. Dafür brauchen wir einen langen Atem, viele Ideen und noch viel, viel mehr engagierte Menschen. Aber dieser Prozess ist unerlässlich, wenn wir selbst, unsere Umwelt und unsere Zukunft von der Macht des großen Gelds nicht erdrückt werden wollen.

Und so gelten die Worte von Brechts „Mutter Courage“ heute mehr denn je:

Es kommt der Tag, da wird sich wenden
Das Blatt für uns, er ist nicht fern.
Da werden wir, das Volk, beenden
Den großen Krieg der großen Herr'n.

Die Händler, mit all ihren Bütteln
Und ihrem Kriegs- und Totentanz
Sie wird auf ewig von sich schütteln
Die neue Welt des g'meinen Manns.

Es wird der Tag, doch wann er wird,
Hängt ab von mein und deinem Tun.
Drum wer mit uns noch nicht marschiert,
Der mach' sich auf die Socken nun.

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Siehe auch: "Rettet die Mur"!

 

2. März 2016