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Die "Presse" interviewt Stadtrat Kaltenegger

03.11.2004 - Chronik / Österreich

Interview: KPÖ und die Realität: "Das ist halt so!"

VON KLAUS HÖFLER

Ernest Kaltenegger, Grazer KPÖ-Stadtrat, über die Kosten der Demokratie, seine Rolle als "Buhmann" der VP/SP-Regierungskollegen und Wahltage in Graz und den USA.

Die Presse: Wen wünscht sich ein kommunistischer Politiker als nächsten US-Präsidenten?

Ernest Kaltenegger: Das kleinere Übel wäre sicher John Kerry. Auch wenn sich die Begeisterung in Grenzen hält.

Glaubt man den Werbetafeln für die Volksbefragung am 12. Dezember, mit der Ihre Partei gegen die Privatisierung der Gemeindewohnungen mobil macht, soll auch in Graz ein Wahltag vor der Türe stehen.

Kaltenegger: Am 12. Dezember geht es um die Zukunft der 5000 Grazer Gemeindewohnungen. Von der ÖVP und SPÖ werden diesbezüglich nur Beruhigungspillen verteilt.

Warum?

Kaltenegger: Weil für die geplante Auslagerung an die Grazer Baulandsicherungsgesellschaft (GBG) ein Kredit aufgenommen werden müsste, den die GBG nicht zurückzahlen kann, für den die Stadt aber haften würde. In zwei, drei Jahren käme es dann zum Totalabverkauf der Wohnungen.

Mit einer wie hohen Beteiligung rechnen Sie?

Kaltenegger: Wir haben mehr als 16.000 Unterschriften für die Einreichung zusammengebracht. Jetzt müssen wir schauen, dass möglichst viele auch zur Befragung gehen.

Von ÖVP und SPÖ wird Ihnen Verschwendung von Steuergeld vorgeworfen.

Kaltenegger: Demokratie kostet eben Geld; konsequenterweise müsste ich sonst sagen: Schaffen wir sie ab! Außerdem sind die kolportierten Kosten von 600.000 Euro eine üble Unterstellung. Es sind 400.000.

Der steirische KP-Vorsitzende Stephan Parteder befürchtet, dass sich der Streit in der Bundes-KPÖ negativ auf die Grazer Volksbefragung auswirkt.

Kaltenegger: Diese Angst habe ich nicht. Und an parteiinternen Meinungsverschiedenheiten beteilige ich mich nicht. Nur so viel Richtung Wien: Sich mehr der konkreten Arbeit hin zu wenden wäre besser.

Die Kommunisten werden bei der Landtagswahl unter dem Namen "KPÖ - Ernest Kaltenegger" antreten. Leiser Abschied vom ideologisch-programmatischen hin zum Persönlichkeitswahlkampf?

Kaltenegger: Nein. Aber für uns war es bei überregionalen Wahlen immer schwierig, gegen das Argument anzukämpfen, eine Stimme für die KPÖ sei eine verlorene Stimme. Dieses Mal haben wir im Großraum Graz eine echte Chance. Wir benötigen für ein Grundmandat nur die Hälfte der Stimmen von der Gemeinderatswahl. Dafür war ich bereit, symbolisch meinen Namen herzugeben.

SP-Chef Franz Voves macht sich schon Hoffnungen, die KPÖ könnte ihn zum Landeshauptmann wählen.

Kaltenegger: Man soll das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist. Wir sind noch nicht einmal im Landtag.

Die Liebe scheint enden wollend: Sie werden von der Grazer SPÖ und ÖVP für Ihre Regierungsarbeit als "Buhmann" und "Nein-Sager" gegeißelt.

Kaltenegger: Die Bevölkerung weiß, dass das nicht stimmt. Wir versuchen, unsere Ressorts korrekt zu führen und haben alle Einsparungsvorgaben auf Punkt und Beistrich eingehalten. Das hat auch weh getan. Wir müssen eben mit der Realität leben.

Wird die Grazer KPÖ dem Budget zustimmen?

Kaltenegger: Einige Dinge werden wir mittragen. Damit sich eine generelle Zustimmung ausgeht, müsste es aber eine Sensation geben. Wir haben beispielsweise immer vorgeschlagen, die Stadt soll sich von der Messe trennen. Man hat nie auf uns gehört. Das ist halt so!


(Die Presse, 3. 11. 04)

Veröffentlicht: 3. November 2004

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