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Wahlkampf auf dem Rücken von Kindern

Feststellung zur Plakatkampagne der Grazer FPÖ – von Robert Krotzer

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Robert Krotzer ist AHS-Lehrer und KPÖ-Gemeinderat in Graz

„Fremd in der eigenen Schule“ heißt es derzeit in der ganzen Stadt auf den Plakaten der FPÖ. Damit machen die Blauen einmal mehr Wahlkampf auf dem Rücken von Menschen. Und zwar auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen in unserer Stadt. Sie inszenieren sich damit als besonders mutig, obwohl sie als Zielscheibe junge Menschen ausgewählt haben, die sich dagegen kaum wehren können.

Für Pädagoginnen und Pädagogen, die sich tagtäglich in den Grazer Schulen für ein gutes Miteinander in unserer Stadt einsetzen, klingt diese Losung ohnehin wie der reinste Hohn. Sprechen hier doch bestbezahlte Polit-Funktionäre vom Schreibtisch aus über eine „Realität“, die sie bestenfalls aus Statistiken und ihrer blau eingefärbten Interpretation dieser kennen. Einer der „Masterminds“ dieser Kampagne ist etwa der freiheitliche Klubobmann Sippel, dessen Antrittshandlung im Grazer Gemeinderat es nach der letzten Wahl bekanntlich war, in Kooperation mit ÖVP und SPÖ die Klubobmann-Gehälter zu verdoppeln (!) und die Parteienförderung auf das Maximum anzuheben. Mit dem auf so kreative Weise erworbenen Steuergeld finanzieren diese Herrschaften also nun ihre Kampagne gegen Grazer Kinder und Jugendliche, gegen die Grazer Bildungseinrichtungen sowie gegen PädagogInnen. Der Stadt, ihren BürgerInnen und dem Zusammenleben tun sie so keinen guten Dienst.

Als Deutschlehrer an der Neuen Mittelschule/BG/BRG Klusemann im Grazer Bezirk Straßgang ist mir die Schule nicht fremd und auch ich bin in der eigenen Schule nicht fremd – ebenso wenig wie die Kinder unserer Schule. Unter anderem unterrichte ich dort eine Unterstufen-Klasse in der 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler eine andere Muttersprache als Deutsch haben. Die Eltern der Kinder kommen aus Griechenland, der Türkei, Tschetschenien, Rumänien oder Kroatien. Ihre Eltern leben hier, arbeiten hier und zahlen hier Steuern. Die Kinder wiederum aus jener Klasse mit einem MigrantInnenanteil von 50 Prozent sprechen allesamt einwandfreies Deutsch, weil sie hier geboren sind oder seit vielen Jahren hier leben. Sie haben wie ihre Eltern in Graz eine Heimat gefunden. So wie übrigens einige Generationen vorher die Eustacchios, die Kunaseks, die Pascuttinis, die Tyberys oder die Pototschniks um nur einige Nachnamen freiheitlicher Politiker und Kandidaten zu nennen.

Aber zurück zur Schule: Die Kinder besagter Klasse sprechen also allesamt einwandfreies Deutsch. Bei manchen von ihnen holpern freilich Rechtschreibung oder Grammatik noch etwas, wohlgemerkt unabhängig davon, ob sie deutsche oder nicht-deutsche Muttersprache haben. Aber eben darum besuchen Kinder und Jugendliche auch eine Schule, nämlich um etwas zu lernen, Fortschritte zu erreichen und Wissen zu erlangen. Mitunter noch wichtiger als Rechtschreibung und Grammatik aber ist, dass Kinder und junge Menschen lernen, respektvoll, sozial und wertschätzend miteinander umzugehen, voneinander zu lernen und gemeinsam in Solidarität zusammenzuleben. Damit das funktioniert, braucht es den Beitrag aller. Das wissen die Kinder, die – anders als manche Erwachsene – übrigens in ihren Freundschaften und im alltäglichen Umgang keinerlei Unterschied nach Muttersprache oder Herkunft der Eltern machen. Und im Übrigen wissen die Kinder auch, dass eine Klassengemeinschaft nur funktionieren kann, wenn niemand Zettel an die Wände in der Schule klebt, auf denen andere SchülerInnen beleidigt und runtergemacht werden. Hier könnten sie manch Erwachsenen ebenso Nachhilfestunden geben.

Um zum Schluss zu kommen: Dass in Graz Menschen aus über 150 Nationen leben, wird auch die FPÖ nicht ändern. Die Frage ist allerdings, ob wir uns in unserer Stadt um ein friedliches Zusammenleben, gegenseitigen Respekt und sozialen Zusammenhalt bemühen – oder ob sich die Menschen gegenseitig anfeinden und in Neid und Hass aufeinander leben? Lösungen für die sozialen Herausforderungen unserer Zeit lässt die FPÖ jedenfalls vermissen, viel mehr schafft sie durch das Säen von Zwietracht und Ausgrenzung nur neue Probleme.

Wer hingegen tatsächlich soziale Verbesserungen will, muss sich mit den Mächtigen anlegen – und tritt nicht gegen die Schwächsten. Das aber erfordert wesentlich mehr Mut, als das Aufstellen solcher Plakate…

 

Veröffentlicht: 12. Januar 2017

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