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Kaltenegger: Für Gerechtigkeit muss man kämpfen!

Ernest Kaltenegger

Gerechtigkeit muss erkämpft werden

Rede auf der Kundgebung der steirischen KPÖ in Graz (1. Mai 2005)

Es ist gar nicht so lange her, als der 1. Mai totgesagt wurde. Allgemeiner Wohlstand hätte diese Tradition, die vor mehr als 100 Jahren als Kampftag für den Achtstundentag begann, überflüssig gemacht, meinte man. Nun ist man längst eines Schlechteren belehrt.

Wer hätte vor Jahren daran gedacht, dass Unternehmer und Manager vom Schlage eines Veit Sorger, seines Zeichens Präsident der Industriellenvereinigung, ganz offen einen Zehnstundentag und die 60-Stundenwoche einfordern? Wer hätte gedacht, dass soziale Kahlschläge durchaus wieder zum Alltäglichen gehören und dass es allein in der EU einmal 19 Millionen Arbeitslose gibt?

Dass, was unter Erhalten der Wettbewerbsfähigkeit und Sicherung des Wirtschaftsstandortes verkauft wird, führt in Wirklichkeit zu einer Anhäufung von Reichtum in den Händen weniger, wie man ihn in der gesamten Menschheitsgeschichte noch nie gehabt hat. Selbst die aus dem Geschichtsunterricht bekannten Herrscher, die in unserem Bewusstsein als Beispiele für gewaltigen Reichtum gelten, könnten sich nicht mit den heutigen Mächtigen des großen Geldes messen.

Die 225 größten Privatvermögen der Welt belaufen sich zusammen auf 1000 Milliarden Dollar. Diese Summe entspricht den Jahreseinkünften der 2,5 Milliarden ärmsten Menschen der Erde, das sind rund 40 Prozent der Weltbevölkerung.

Der Reichtum Weniger schafft die Armut Vieler. Oft ist dieser Weg sehr direkt nachzuvollziehen. So zum Beispiel vernichtete der Präsident von Eastman Kodak, George Fisher, 1997 mit einem Schlag 20.000 Arbeitsplätze. Als unmittelbare Belohnung dafür erhielt er Eastman- Kodak-Aktien im Werte von 60 Millionen Dollar.

Solche Beispiele ließen sich noch viele anführen. Es ist auch durchaus üblich, dass Massenabbau von Arbeitsplätzen direkt zu Kurssteigerungen für Aktionäre führt. In einer solchen Entwicklung zählen Einzelschicksale nicht mehr. Ein deutscher Spitzenmanager hat es zynisch auf den Punkt gebracht: „Ein Mensch? Das ist ein Kostenfaktor auf zwei Beinen!“
Bei einer solchen Einstellung ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn selbst die Demokratie für die ungehemmte Entwicklung des globalen Marktes als hinderlich angesehen wird. In der Tat gibt es bereits Einrichtungen wie der Welthandelsorganisation (WTO), die oft über mehr Macht verfügen als demokratisch gewählte Parlamente.

Auch in einzelnen Konzernen ist eine fast unvorstellbare ökonomische Macht konzentriert. So zum Beispiel ist der Umsatz von Exxon Mobil höher als das BIP von Österreich.

Die Politik fast aller Staaten kommt dieser Entwicklung noch entgegen und fördert sie aufs ausgiebigste – besonders auch in Österreich. So wurde im Zuge der letzten Steuerreform die Gruppenbesteuerung für Konzerne eingeführt. Diese erlaubt es Konzernen, die Verluste von Tochterfirmen im Ausland in Österreich abzuschreiben.

Während die Konzerne und die Superreichen mit Steuerzuckerln überhäuft werden, fordert man den „schlanken Staat“, der in Wirklichkeit meist nichts anderes bedeutet als Leistungseinschränkungen für die Bevölkerung, Privatisierung von öffentlichem Eigentum und Abbau von Arbeitsplätzen. Letzteres geht meist Hand in Hand, wie beispielsweise bei Semperit und Austria Tabak.

Bei den Lohnsteuerpflichtigen ist jede Steuerreform innerhalb kürzester Zeit durch die Inflation wieder egalisiert. Die Einnahmen aus Kapitalerträgen gehen dagegen immer weiter herunter, und die Steuerleistungen von Konzernen verkommen gar bald zur freiwilligen Spende.

Daneben haben Reiche auch noch die Gelegenheit ihr Vermögen steuerschonend in Stiftungen anzulegen. Diese Möglichkeit wurde bereits in der Zeit eines SPÖ-Finanzministers geschaffen.

Die Liste der bedeutendsten Privatstiftungen ist nahezu identisch mit der Liste der reichsten Österreicher. So zum Beispiel lagert in der Dr. Flick’schen Privatstiftung Rottenmann ein Vermögen von 6,1 Milliarden Euro. Auch einige andere bekannte Namen finden sich dort: Thomas Prinzhorn Privatstiftung: 1,036 Milliarden Euro, Androsch Privatstiftung: 322 Millionen Euro, Martin Bartensteins Lithos Privat Stiftung: 104 Millionen Euro.

Wie schnell die Reichen reicher werden, konnte man vor einiger Zeit nachlesen: Der Vermögenszuwachs des Karl Friedrich Flick betrug allein von 2003 auf 2004 213 Millionen Euro! Mayr-Melnhof-Saurau konnte sich im selben Zeitraum über ein Plus bei seinem Vermögen in der Höhe von 181 Millionen Euro freuen.

Dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden ist nicht nur ein geflügeltes Wort, sondern in Österreich längst Realität. Fast 500.000 Menschen sind in Österreich akut arm, mehr als 1 Million sind bei uns armutsgefährdet. Allein 235.000 sind arm, obwohl sie einer Arbeit nachgehen!

Von der derzeitigen Politik dürfen wir uns kein Wunder oder besonderes Bemühen um Besserungen erwarten – im Gegenteil! Positive Veränderungen wird es nur dann geben, wenn sich die Betroffenen selbst unüberhörbar zu Wort melden.

Auch die Politik der EU bringt keine Lösung der Probleme. Sie dient in erster Linie den Interessen der großen Konzerne und nicht denen der Völker. In der vorgelegten EU-Verfassung wird das neoliberale Wirtschaftsmodell festgeschrieben, verbunden mit der Liberalisierung und Deregulierung aller Bereiche. Gleichzeitig will man die EU zu einer Militärunion mit eigener Interventionstruppe entwickeln. Damit verbunden ist eine Aufrüstungsverpflichtung, die letztendlich die ohnehin knappen Budgets zusätzlich belasten würden. Das österreichische Volk soll dazu – wenn es nach dem Willen von ÖVP, SPÖ, Grünen sowie BZÖ/FPÖ geht – keinesfalls befragt werden. Zu sehr fürchtet man die Meinung der Bevölkerung!

So wie seinerzeit der Achtstundentag und andere soziale Errungenschaften nicht als Geschenke der Herrschenden gekommen sind, wird man sich auch jetzt mehr Gerechtigkeit erkämpfen müssen. Darum wird auch der 1. Mai nicht an Bedeutung verlieren.

Alle arbeitenden Menschen und auch die vielen Arbeitssuchenden sowie ihre Interessensvertretungen sind gefordert. Eigentlich wären gemeinsame Demonstrationen über alle Parteigrenzen hinweg schon längst ein Gebot der Stunde. Der Gewerkschaftsbund hätte hier eine Aufgabe, der er sich stellen müsste. Nur wenn sich die Arbeiterschaft wieder ihrer Stärke besinnt, wird man merken, dass Millionen stärker als Millionäre sein können.

Veröffentlicht: 2. Mai 2005

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