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Moria - Rückblick auf den Gemeinderat

Die Gemeinderatssitzung vom 17. September 2020 war vor allem von einer Thematik geprägt: Soll sich die Stadt Graz bereit erklären zumindest Kinder und Jugendliche aus dem abgebrannten Lager in Moria aufnehmen.

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Gemeinderätin Elke Heinrichs.

Die Forderung auf Aufnahme von zumindest unbegleitenden Kindern aus dem abgebrannten Lager in Moria wurde von ÖVP und FPÖ abgelehnt. Gemeinderätin Elke Heinrichs und Hans Peter Meister haben in Ihren bemerkenswerten Reden die Haltung der KPÖ zu dieser traurigen Thematik auf den Punkt gebracht.

Gemeinderätin Elke Heinrichs appellierte Menschen und vorallem Kindern nicht in ihrem Elend alleine zu lassen.

"Graz als Stadt der Menschenrechte muss dringend Humanität beweisen."

Elke Heinrichs

>> Klicken Sie hier um den gesamten Redebeitrag von Elke Heinrichs über Moria zu lesen
Allen drei Dringlichen Anträgen werden wir von der KPÖ unsere Zustimmung erteilen, denn seitens der KPÖ gab es ebenso bereits zwei Initiativen: Meine Kollegin Christine Braunersreuther schrieb ihre Anfrage „Menschenrechtsstadt als sicherer Hafen“ am 23. April an Herrn Bürgermeister Nagl.
Am 9. Juli gab es meinerseits eine schriftliche Anfrage, nämlich „Unbegleitete Kinder und Jugendliche aus Moria aufnehmen – Graz als Stadt der Menschenrechte muss dringend Humanität beweisen“ an Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister.
Damals habe ich auch auf das einsame Transparent in der Herrengasse Bezug genommen. Damals hatte das Lager Moria auf Lesbos noch nicht gebrannt. Dieser Gau aber war jedenfalls seit Jahren vorhersehbar. Nicht zuletzt darum kommen auch nun die Initiativen in Form der drei Dringlichen Anträge.

Ich habe natürlich jetzt nicht die Absicht, die jeweiligen Inhalte unserer Initiativen vorzutragen. Nur so viel: Der europäischen Staatengemeinschaft, welche wohl als solche zu bezweifeln ist, ist es in skandalöser Weise gelungen, einen humanitären Schaden der Sonderklasse nicht nur auf allen Ägäischen Inseln anzurichten!
Diese „Schandflecken“ an Lagern, wie sie ja mittlerweile in so gut wie in allen Gazetten inklusive der Kronen Zeitung genannt werden, gibt es ja auf Lesbos, Samos, Chios, Kos und Leros und auf Lampedusa - nach wie vor, auf Sizilien in Augusta, Porzallo, Trapani und Porto Empedocle sowie in Taranto in Apulien. - Von all diesen Orten berichtet man vorsichtshalber nichts.

Weil es auf Lesbos (mittlerweile auch auf Samos) gebrannt hat, und die Menschen in den Straßen dort nicht leben sondern vegetieren, die HelferInnen der Organisationen von unbeschreiblichem Gestank berichten (es hatte die letzten Tage dort eine Temperatur von 35 Grad), von Kindern, die sich prostituieren und suizidieren, tausende Kinder sind in den letzten Jahren spurlos verschwunden, darum sprechen sprechen wir heute von Moria. Aber wohl nur um der Gesamtproblematik an den europäischen Außengrenzen einen Namen zu geben!
Wie kann es sein, dass wir – schön eingebettet in den Binnenländern – nicht nur die gestrandeten Menschen im Elend belassen wollen um ein Exempel zur Abschreckung für andere Flüchtlinge zu statuieren, sondern dabei ohne mit der Wimper zu zucken auch den ursprünglichen BewohnerInnen der besagten Inseln und Städte der Außengrenzen eine dermaßen untragbare Last aufbürden!?

Es geht mir und niemanden in der KPÖ nicht etwa um unkontrollierten Zuzug, sondern um unbegleitete Kinder, die für ihr Geschick nichts - aber auch gar - nichts können! Als erwachsene Menschen müssen wir menschenrechtlicher Weise für diese Kinder Verantwortung übernehmen, und es kann damit wohl nicht ernsthaft gemeint sein, den Istzustand, der letztlich zum Brand geführt hat, wieder herstellen zu wollen. S.g. Herr Bürgermeister – mit Respekt und auch mit Verständnis für das, was Sie bedenken und kalkulieren müssen – ich bitte Sie hiermit inständig um Intervention bei der Bundesregierung. Wir können mithalten mit dem, was andere Gemeinden bereits anbieten.

Ich bitte Sie nochmals inständig im Sinne der Kinder von Moria!
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Gemeinderat Hans Peter Meister

Hans Peter Meister zeigt in seiner Rede auf, dass man auch auf die Fluchtursachen blicken muss und auch Österreich hier in der Verantwortung steht.

"Wir sollten, wenn wir über Fluchtursachen reden, nicht aus dem Auge verlieren, dass diese Fluchtursachen meistens nicht hausgemacht sind. Diese Länder, aus denen die Menschen zu uns strömen, sind von Krieg, wirtschaftlichem Niedergang und von Ausbeutung gezeichnet. Und das hat sehr wohl etwas mit uns zu tun."

Hans Peter Meister

>> Klicken Sie hier um den gesamten Redebeitrag von Hans Peter Meister über Fluchtursachen und Verantwortung zu lesen
Wir sollten, wenn wir über Fluchtursachen reden, nicht aus dem Auge verlieren, dass diese Fluchtursachen meistens nicht hausgemacht sind. Diese Länder, aus denen die Menschen zu uns strömen, sind von Krieg, wirtschaftlichem Niedergang und von Ausbeutung gezeichnet. Und das hat sehr wohl etwas mit uns zu tun. Denn mir ist nicht bekannt, dass es in Syrien oder Afghanistan oder in Afrika eine eigenständige Waffenproduktion gibt. Es gibt aber sehr wohl in Österreich eine Waffenproduktion.

Österreich spielt sicher nicht die Hauptrolle als Rüstungsproduzent für diese Länder, aber die Länder der EU schon. Deshalb – wenn man über Fluchtursachen spricht - wäre es eine ganz wesentliche Aufgabe der EU, die Waffenlieferungen in diese Länder zu unterbinden und die Rüstungsindustrie zu knebeln. Und die Bundesregierung könnte sich dafür einsetzen. Aber ich wette, sie wird das nicht tun.
Das andere ist: Wie kann es sein, dass diese Menschen, die oft aus Ländern voller natürlicher Reichtümer stammen, kein Auskommen in ihrer Heimat finden, aber für unsere Handys und unsere digitalen Geräte in Afrika Coltan ausgraben oder seltene Erden um Hungerlöhne schürfen, damit bei uns die Preise so niedrig werden können und die Herren dieser Firmen ihre ungeheuren Gewinne scheffeln. In Afghanistan geht unter anderem der Kampf darum, wer die Herrschaft über die Rohstoffvorkommen, die dort prospektiert worden sind, bekommt.

Wie kommen diese Menschen dazu, dort für Hungerlöhne zu arbeiten, damit wir dann billigste digitale Geräte erwerben können und die 0,1 % Kapitalisten, die über die Hälfte des Weltvermögens besitzen, noch reicher werden. Da gibt es viele andere Beispiele, wie die Textilindustrie in Bangladesch und so weiter.
Es hat sehr wohl mit uns zu tun, was dort passiert und wir profitieren von dem Elend dieser Leute, deshalb haben wir auch eine gewisse Verantwortung diesen gegenüber, wenn sie die Flucht ergreifen.
Das Dritte ist der Klimawandel. Wir wissen sehr wohl aus amerikanischen Studien, dass der Bürgerkrieg in Syrien auch bedingt war durch eine mehr als 5-jährige ungewöhnliche Dürreperiode. Das hat mit der Erderwärmung zu tun, für die diese Länder aber in keiner Weise die Hauptverantwortung tragen, sondern die Länder des Nordens tragen die Verantwortung. Also wenn man sich das jetzt von einer materialistischen Ebene ansieht, dann gibt es eine Verantwortung, die die EU - natürlich nicht nur sie – und die Industrieländer gegenüber diesen Ländern und ihren Bewohnern haben.

Wenn der Herr Bürgermeister sagt, Österreich habe sehr viele Menschen aufgenommen, mehr als andere europäischen Länder, dann muss ich ihm antworten: „Das mag schon stimmen. Aber Österreich befindet sich seit Jahrzehnten im Ranking der geleisteten Entwicklungshilfe unter den letzten zehn OECD Staaten. Und: Fluchtursachen verhindern hieße: Rechtzeitig, bevor es zu katastrophalen Entwicklungen kommt, Länder und Menschen in diesen Regionen zu unterstützen, sodass sie ein eigenes Auskommen in ihren Ländern finden können.“

Aus diesem Grund würden wir uns sehr freuen, wenn die Anregung, die Christine Braunersreuter schon im Frühling gemacht hat, nämlich , dass Graz ein sicherer Hafen für Notleidende wird, wie es die NGO „Seebrücke“ gefordert hat, dann wäre das in unserem Sinne, denn es ist angemessen, dass reiche Länder wie Österreich Verantwortung übernehmen und es sind auch – so glaube ich – viele Österreicher*innen bereit, dafür einen Beitrag zu leisten.

Veröffentlicht: 28. September 2020

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