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Pflegestadtrat Krotzer: „Hinter jeder Zahl steht zuallererst ein Mensch“

Robert Krotzers Budgetrede im Grazer Gemeinderat

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„Die Qualität der Pflege nicht vom Einkommen oder Vermögen eines Menschen abhängig sein darf“, betont Pflegestadtrat Robert Krotzer (KPÖ).
Foto: © Antonia Renner

Lesezeit: 7 Minuten

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
werte Mitglieder der Stadtregierung,
geschätzte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte,
liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie!


Ich darf heute in meiner Funktion als Stadtrat für Gesundheit und Pflege zum zweiten Mal Stellung nehmen zu einem Budget der Stadt Graz und dabei etwas detaillierter auf die Zahlen jener Ressorts eingehen, für die ich verantwortlich bin.

Beginnen möchte ich dabei mit dem Pflege-Ressort, zumal dieses Thema gegenwärtig auch in der breiten Öffentlichkeit ausführlich diskutiert wird.

Voranstellen möchte ich den weiteren Ausführungen eine Feststellung, von der ich zutiefst überzeugt bin: Wie wir mit Menschen umgehen, die auf Pflege und Betreuung angewiesen sind, sagt viel über den Charakter unserer Gesellschaft aus. Freilich geht es in einer Budgetsitzung vorrangig um Zahlen, aber ich ersuche Sie alle, sich zu vergegenwärtigen, dass gerade in der Pflege hinter jeder Zahl zuallererst ein Mensch steht, der aus Alters- und Krankheitsgründen auf die Hilfe der Solidargemeinschaft angewiesen ist. Jeder und jede von uns kann jederzeit selbst oder als Angehöriger in die Situation geraten, auf Betreuung und Pflege angewiesen zu sein – und es wird Sie aufgrund meiner menschlichen und politischen Überzeugung nicht verwundern, wenn ich sage, dass die Qualität der Pflege nicht vom Einkommen oder Vermögen eines Menschen abhängig sein darf. Es geht um nicht weniger als die Würde unserer älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger, die nicht zu einem Kostenfaktor degradiert werden dürfen.

Ich möchte mich an der Stelle daher bei Ihnen allen bedanken, dass die Herausforderung, die die bundesweite Abschaffung des Pflegeregresses auch für die Stadt Graz bedeutet, nicht für politischen Kleingeldwechsel auf dem Rücken der Betroffenen genutzt wurde.

Zur Erinnerung: Im Herbst 2017 wurde der Pflegeregress im österreichischen Parlament mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen abgeschafft, wohlgemerkt und bedenklicherweise nur für die stationäre Pflege, nicht aber für mobile Leistungen. Für die Stadt Graz bedeutete dies im Jahr 2018 infolge von Einnahmenentfall und zusätzlichen Kosten einen Mehraufwand von etwa fünf Millionen Euro. In dem Zusammenhang kann ich Ihnen versichern: Wir werden sehr genau beobachten, ob es zu einem vollen Ersatz dieser Kosten durch den Bund kommen wird, wie dies von Bundeskanzler Kurz und Finanzminister Löger versprochen wurde – was bisher allerdings nur zu einem kleinen Teil eingelöst wurde.

Nicht unerwähnt will ich im Zusammenhang mit dem Pflegeregress auch die Kolleginnen und Kollegen im Referat für Heimzuzahlungen, die infolge einer massiven Steigerung der Anträge gerade zu Jahresbeginn 2018 ein besonders arbeitsreiches Jahr hinter sich haben, wofür ihnen ein besonderer Dank gilt.

Als Stadt sind unsere Möglichkeiten, bei den steigenden Heimkosten gegenzusteuern, beschränkt, weil wir uns hier – und ich sage: zum Glück – im Bereich gesetzlicher Pflichtleistungen befinden.
Dennoch tun wir, was wir können, dem Prinzip „mobil vor stationär“ Rechnung zu tragen und Pflege zuhause leistbar zu machen. Danken möchte ich hier auch gleich Finanzstadtrat Günter Riegler, mit dem gerade in der Frage des KlientInnenbeitragsmodells die Zusammenarbeit sehr fruchtbar war:
Einen wesentlichen Beitrag zur Attraktivierung der Pflege zuhause haben wir nämlich durch das Grazer Modell der Finanzierung der Hauskrankenpflege geschaffen. Das ermöglicht es vielen Menschen, pflegerische Leistungen zuhause in Anspruch zu nehmen und nicht aus finanziellen Gründen gezwungen sind, ins Heim zu gehen, weil ihnen zumindest die Mindestpension für Mieten und Lebensbedarf bleiben. Die Stadt Graz übernimmt hier jene Kosten der Mobilen Pflege, die andernfalls unterhalb des Existenzminimums gehen würden.

Zugleich bemühen wir uns um eine intensivere Unterstützung von Menschen, die 24-Stunden-Betreuung in Anspruch nehmen, um hier eine Zuzahlung zum Lebensbedarf nach dem Steirischen Sozialhilfegesetz zu gewähren, die auch hier Alternativen zum Gang ins Pflegeheim schaffen soll.

Der Wunsch der Menschen, in den eigenen vier Wänden zu bleiben, geht in beiden Fällen Hand in Hand mit einer positiven Auswirkung auf das Budget, da alle mobilen Formen der Betreuung und Pflege – von der Hauskrankenpflege bis zum Demenztageszentrum – wesentlich günstiger sind als die Zuzahlungen zu den Heimkosten. Wir arbeiten daher weiter an einer Ausweitung beziehungsweise Stärkung der Angebote, wie etwa des Projekts „Gesunde Nachbarschaft“ des Frauengesundheitszentrum und des Stadtteilzentrums Triester Siedlung, der mobilen sozialpsychiatrischen Betreuung, der Demenzfreundlichen Stadt Graz, einer Pflegegeldberatung in Kooperation mit dem SMZ Liebenau oder einer Unterstützung des Gerontopsychiatrischen Zentrums.

Besondere Unterstützung brauchen gerade aber auch pflegende Angehörige, weshalb wir die Initiativen zur Schaffung eines sogenannten „Vierten Dienstes“, also einer Alltagsbetreuung, unterstützen. Viele Familien brauchen keine 24-Stunden-Betreuung, sondern wünschen sich stundenweise Entlastung und Hilfe bei der Pflege ihrer Eltern. Einen solchen „vierten Dienst“ zu etablieren, ist ein Auftrag an die Politik. Bund, Land und Gemeinden müssten hier an einem Strang ziehen. Durch die Abschaffung der Aktion 20.000 sind wir in den Bemühungen leider ein schönes Stück zurückgeworfen worden, aber wir arbeiten weiter daran. Voraussichtlich im Jänner – das darf ich Ihnen ankündigen – werden wir einen Informationsbericht im zuständigen Ausschuss und im Gemeinderat diskutieren.

Angehörige zu pflegen, ist physisch und psychisch belastend. In der Fürsorge gehen Verwandte oft an die Grenzen dieser Belastbarkeit. Vielfach wissen Menschen aber nicht, welche Hilfe sie konkret in Anspruch nehmen könnten. Die Stadt Graz betreibt deshalb die Pflegedrehscheibe in der Albert-Schweitzer-Gasse 38. Sie bietet ein kostenloses und umfassendes Angebot auch an Case-Management, um so die optimale und individuell passende Pflege zu ermöglichen und auch den Angehörigen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Pflegedrehscheibe nehmen sich für jeden Fall die Zeit, die er braucht. Der Andrang und das Arbeitspensum der Kolleginnen steigt enorm. Wir sind deshalb sehr froh, dass es gelungen ist, den Personalstand um eine Mitarbeiterin – und damit auch die Möglichkeiten des Services – zu erhöhen. Danke in dem Zusammenhang auch an Personalstadtrat Mario Eustacchio.
 

Auch das Gesundheitsamt betreffend kann ich Ihnen Erfreuliches berichten.

Wie Sie ja wissen, haben wir hier im Gemeinderat noch vor dem Sommer einstimmig beschlossen, den Caritas Kontaktladen mit einem mehrjährigen Fördervertrag auszustatten. Das sichert eine tragende Säule in der Betreuung von suchtkranken Menschen ab.

Äußerst erfreulich ist die Entwicklung der Impfzahlen bei der Grippeimpfung, die sogar bei der Impfstelle erfreutes Staunen auslöst. Wir sind im Vergleich zum Vorjahr fast anderthalb Monate im Vorsprung. Danken möchte ich dabei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Impfstelle und den Desinfektoren, die bereit waren, bei der Aktion GESUNDheitsamt vor Ort mitzumachen und den Grazern und Grazerinnen vor Ort in den Stadtteil- und Nachbarschaftszentren das Angebot des Gesundheitsamts näher zu bringen.

Dieser – gerade in Zeiten von Esoterik und Impfgegnerschaft – positive Trend, hat die Impfstelle jedoch auch an ihre baulichen Kapazitätsgrenzen gebracht. Deshalb freut es mich sehr, dass es gelungen ist, es budgetär so anzulegen, dass die so dringend nötigen Umbauarbeiten schon im Jänner, in der Zeit zwischen Grippe- und FSME-Impfung der dafür geeignetste Zeitpunkt, über die Bühne gehen können. Dafür darf ich mich ebenso bedanken!

Mit einiger Verwunderung, aber doch auch wohlwollend habe ich im September den Medien die Ankündigung des Bürgermeisters vernehmen können, dass das Jahr 2019 zu einem Gesundheitsjahr werden soll. Nach einem positiven ersten Gespräch sollen im kommenden Jahr Planungen für einen Gesundheitsschwerpunkt im Jahr 2020 aufgenommen werden, wobei es mir ein besonderes Anliegen ist, nachhaltige Strukturen zu stärken und das besonders für jene Menschen in unserer Stadt, die mit den zunehmenden Hürden in unserem Gesundheitswesen zu kämpfen haben. Als logische Partner für die Stadt bieten sich dabei jene Gesundheitseinrichtungen und -initiativen an, die seit vielen Jahren auf unterschiedlichsten Feldern wesentliche Arbeit für die Versorgung der Grazer Bevölkerung leisten. Das heißt aber auch, diese Einrichtungen finanziell zu stärken. Zur Erinnerung: Nicht einmal einen Euro pro GrazerIn gibt die Stadt zur Unterstützung von Einrichtungen und Vereinen aus, die jeden Tag einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesundheit der Grazer Bevölkerung leisten. Ein städtischer Gesundheitsschwerpunkt kann daher nur bedeuten, das Subventionsbudget in diesem Bereich zu erhöhen, worauf wir bei den Vorbereitungen auf ein Gesundheitsjahr drängen werden.

Zugleich darf ich ankündigen, dass das Gesundheitsamt im kommenden Jahr selbstverständlich auch eigene Akzente setzen will, das betrifft einerseits eine weitere Bewusstseinsarbeit gerade auch im Rahmen der Europäischen Impfwoche im Mai 2019 sowie Aktivitäten zur Sensibilisierung für und Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen. Schließlich leidet jede/r sechste ÖsterreicherIn einer EU-Vergleichsstudie zufolge an einer psychischen Krankheit – und damit auch zehntausende Grazerinnen und Grazer. Vor diesem Umstand kann die Stadt Graz nicht die Augen verschließen und muss Akzente zu einem offeneren Umgang und einer Enttabuisierung setzen.

Ich erlaube mir an der Stelle aber auch die Randnotiz, dass Bewusstseinsarbeit wichtig ist, der Kern aber darin zu finden ist, dass das psychische Wohlbefinden und die Gesundheit von Menschen eng mit ihrer sozialen und wirtschaftlichen Stellung zusammenhängt. Gerade die Kommune ist daher ihren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber verpflichtet, starke soziale Netze zu schaffen, die den Menschen Halt und Sicherheit geben.

Bevor ich zum Schluss komme, darf ich von meiner Seite resümieren, dass trotz sprichwörtlicher und bald auch tatsächlicher Baustellen in der Grazer Stadtregierung und auch im Gemeinderat ein übergreifendes Bemühen spürbar ist, in den Bereichen Gesundheit und Pflege positive Schritte im Sinne der Grazer Bevölkerung zu setzen. Ich darf exemplarisch noch einmal die Absicherung der Pflegekosten, das Grazer Kliententarifmodell, die Akzente zur Stärkung alternativer Pflegemodelle, die personelle Verstärkung der Pflegedrehscheibe und des Referats für Heimzuzahlungen sowie den Umbau der Impfstelle, die technische Adaptierung der Impfsoftware oder auch die weitere Unterstützung des Caritas Kontaktladens nennen. Aus diesem Grund wird meine Fraktion auch in den Bereichen Gesundheit und Pflege dem vorliegenden Budget ihre Zustimmung geben. Dazu haben wir uns aus eigenem Entschluss entschieden, da wir als KPÖ intransparente Gegengeschäfte oder politischen Kuhhandel ablehnen – wir verbinden diese Zustimmung aber mit dem deutlichen Wunsch und Auftrag an alle Parteien, auch künftig die Gesundheit und das Wohl der Bevölkerung über alle taktischen Überlegungen zu stellen und so positive Schritte mit zu ermöglichen.

Abschließend möchte ich mich bei den Amtsleiterinnen Dr. Eva Winter und Dr. Andrea Fink, bei Mag. Norma Rieder und Mag. Andreas Harb, bei Dr. Daniela Goritschan und Dr. Ulf Zeder, bei Mag. Margit Koch-Uitz und Ingrid Penz sowie bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Abteilungen bedanken.

Sie sind es, ohne deren Einsatz nie gelingen könnte, was wir Politiker und Politikerinnen uns so ausdenken.

Veröffentlicht: 17. Dezember 2018

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