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Seiersberg vs. Innenstadt

Shopping-Center-Wildwuchs führt zu Geschäftssterben und Arbeitsplatzverlust in den Innenstädten

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Mit der Annenstraße konnte man beim Österreich-DKT zu Wohlstand gelangen. Heute müsste man wahrscheinlich eher die Shopping City Seiersberg erwerben, um das Spiel zu gewinnen.

„Früher bin ich in der Adventzeit mit meinen Kindern immer vom Bahnhof bis zum Hauptplatz spaziert. An jeder zweiten Auslage haben wir halt gemacht und geschaut. Da war die Annenstraße noch eine belebte Einkaufsstraße“, erzählt eine Dame aus Frohnleiten. Etwas besser sei es zwar wieder geworden, meint sie. Zu den Weihnachtsmärkten fahre sie aber heute direkt mit der Straßenbahn. Flanieren oder bummeln in der Annenstraße sei nichts mehr für sie.

Leere Geschäftslokale und Auslagen, Pfandleiher oder Wettbüros prägen in vielen früher belebten Einkaufsstraßen der Grazer Innenstadt das Bild. An den Stadträndern schießen die Einkaufszentren wie Schwammerl aus dem Boden.
 

Wildwuchs bei Einkaufszentren

Um die grenzenlose Ausdehnung von Einkaufszentren zu verhindern, hat das Land Steiermark Regelungen getroffen – und die hebelt es jetzt selbst wieder aus.

Jahrelang wurden in Seiersberg rechtliche Schlupflöcher ausgenutzt und Tricks angewendet, um die Verkaufsfläche weit über das erlaubte hinaus zu erweitern. Schlussendlich musste sich sogar der Verfassungsgerichtshof mit der Causa befassen. Ein Trick wurde nun auch im Landtag angewendet: Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ wurde der Wildwuchs in der Shopping City nachträglich legalisiert.

„Jeder Häuslbauer braucht eine Genehmigung für ein zusätzlich eingebautes Klo-Fenster. Bei den Einkaufszentren darf jeder Betreiber machen, was er will“, kritisierte KPÖ-Mann Werner Murgg diese Vorgangsweise im Landtag.
 

Gravierende Folgen

Mit dieser Gesetzesänderung ist aber nicht nur das SCS aus dem Schneider. Auch dem Bau von weiteren riesigen Shopping-Zentren wären damit Tür und Tor geöffnet. Dabei sind die Einkaufszentren längst überdimensioniert und verursachen gravierende Verkehrs- und Umweltprobleme, die mit viel Steuergeld behoben werden müssen.

„Außerdem saugen sie Arbeitsplätze und Kaufkraft aus den Ortszentren ab“, weiß KPÖ-Wirtschaftssprecherin Ina Bergmann, die früher selbst Innenstadt-Geschäftstreibende war.

„Alle rechtfertigen die Entwicklung immer mit den Arbeitsplätzen. Aber die Arbeitsplätze, die es jetzt in den Shopping Centern gibt, sind davor in den Städten verloren gegangen“ schildert Bergmann.
 

Es reicht!

„Gesetzlich müsste man dagegen was machen“, meint eine Angestellte.Ihr resignierter Nachsatz: „Die Weihnachtsbeleuchtung immer früher einzuschalten, ist zu wenig.“

Zuletzt wurde im Grazer Gemeinderat ein Antrag beschlossen, der gegen die Legalisierung des Wildwuchses in Seiersberg protestierte. Einzig die SPÖ stimmte dagegen. Auf ein pikantes Detail wies KPÖ-Gemeinderat Andreas Fabisch hin: Obwohl sich ÖVP und FPÖ im Grazer Gemeinderat gegen die Gesetzesänderung aussprechen, haben die schwarzen und blauen Grazer im Landtag dafür gestimmt.

 

Pikant: ÖVP und FPÖ sprechen mit gespaltener Zunge

Im Grazer Gemeinderat stimmen ÖVP und FPÖ gegen die „Lex Seiersberg“, im Landtag aber dafür. Die Grazer Landtagsabgeordneten Alexandra Pichler-Jessenko, Barbara Riener und Sandra Holasek (ÖVP) sowie Andrea-Michaela Schartel, Hedwig Staller und Gerhard Kurzmann (FPÖ) gaben der umstrittenen Gesetzesreparatur ihre Zustimmung. Schartel war bis 2015 Gemeinderätin in Graz und Pichler-Jessenko zuletzt sogar als Grazer Finanzstadträtin im Gespräch.

Veröffentlicht: 28. Dezember 2016

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