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„Selbstverständlich müssen Bürgerinnen und Bürger befragt werden“

Alfred Strutzenberger zur Debatte über das geplante Murkraftwerk

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Vorweg: Wenn eine Bürgerinitiative bis zuletzt fleißig Unterschriften sammelt um am Tag X einen Antrag auf eine Volksbefragung einzubringen, der von 10242 gültigen Unterschriften unterstützt wird – gerade einmal um 242 mehr als erforderlich – darf man schon die Frage stellen, ob der Zeitpunkt der Einreichung wirklich – wie von den Kraftwerksbefürwortern behauptet – nur taktisch gewählt war, oder man vorher mangels notwendiger Unterschriften schlicht und einfach nicht einreichen konnte. Egal.

ÖVP, SPÖ und FP behaupten, eine Volksbefragung zum geplanten Murkraftwerk wäre rechtlich nicht (mehr) möglich. Das ist falsch. Richtig ist, dass eine Volksbefragung auf Basis der 10.242 Unterschriften mangels Konkretheit der Fragestellung nicht mehr möglich ist. Was alle drei Parteien nicht sagen: der Gemeinderat selbst kann immer noch eine Volksbefragung incl. zulässiger Frage beschließen.

Freilich kann das Kraftwerk gebaut werden, sobald alle notwendigen Bewilligungen vorhanden sind. Die Frage ist nur die, ob sich die Stadt finanziell daran beteiligen soll. Tut sie das in Form des 84 Mio. Euro teuren Speicherkanals nicht, ist das Kraftwerk offenbar derart unrentabel, dass es auch nicht gebaut werden würde. Bislang konnte jedoch von den Betreibern noch kein Partner gefunden werden, daher beschlossen ÖVP, SPÖ und FP, dass die versprochene Zuzahlung der Betreiber zum Speicherkanal in Höhe von 20 Mio. Euro auch noch von der Stadt und somit von allen Grazerinnen und Grazern vorgestreckt werden soll. So soll das Paket endlich attraktiv genug sein, um ja einen notwendigen Partner zu finden. Nachdem der Verbund das Projekt geprüft und abgewunken hat, soll nun die Wien Energie einsteigen. Entsprechende Beschlüsse stehen allerdings noch aus.

Man mag für oder gegen das Kraftwerk sein, es ändert nichts daran, dass durch ein solches Monsterprojekt die Stadt nicht mehr so sein würde wie bisher. Vielleicht haben die Kraftwerksgegner recht und Klima, Flora und Fauna werden sich durch einen solchen Bau nachhaltig verschlechtern, vielleicht haben die Befürworter recht und alles wird besser oder zumindest nicht schlechter. In jedem Fall aber würden die Grazerinnen und Grazer in den kommenden Jahren eine Riesenbaustelle mit Lärm, Staub, Verkehrsbehinderungen etc. ertragen müssen. Und selbst wenn wie versprochen (annähernd) gleich viele Bäume gepflanzt werden wie vorher gefällt werden müssten, wird es Jahrzehnte und somit Generationen dauern, bis diese groß genug sind um dieselbe Wirkung auf das Klima der Stadt entfalten zu können.

Bei einem solchen Projekt mit diesen weitreichenden Auswirkungen – egal ob positiv oder negativ – sollte es für einen Bürgermeister eine Selbstverständlichkeit sein, seine Bürgerinnen und Bürger vorher zu befragen, ob sie es möchten oder nicht. Stattdessen ein Projekt mit allen Mitteln zu pushen, Beschlüsse in die Wege zu leiten und erst danach den Bürgern auszurichten: „Jetzt ist es zu spät für eine Volksbefragung.“, ist eine Vorgehensweise, die jeder selbst beurteilen soll. Des Bürgermeisters Hinweis auf eine bereits stattgefundene Befragung (die ÖVP führte eine dubiose Online-Befragung durch, an der nur ein eingeschränkter Kreis teilnehmen konnte, manche offenbar auch mit der Möglichkeit, öfter als einmal abzustimmen) war und ist, bei allem Respekt und sehr höflich formuliert, ein „netter Versuch“.

Für all jene, die wie ich ohne Zeitungen in Papierform nicht leben können, bietet sich auch in den nächsten Wochen und Monaten die Gelegenheit zu prüfen, ob es stimmt, dass Großinserenten es nicht sehr schätzen, wenn gegen ihre Interessen berichtet wird.

Mag. Alfred Strutzenberger ist Büroleiter von Bürgermeisterstellvertreterin Elke Kahr und Bezirksvorsteher-Stellvertreter in der Inneren Stadt

Veröffentlicht: 24. Oktober 2016

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