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Solidarität Graz - Bihać

Anfang 2022 hat KPÖ-Gemeinderat Horst Alič zusammen mit dem Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler  Flüchtlingscamps in der bosnischen Stadt Bihać besucht. Im folgenden Artikel schildert Alič die Hintergründe seiner Reise.

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Alič im Gespräch mit Šuhret Fazlić, dem Bürgermeister von Bihać. Foto: Hasan Ulukisa (SOS Balkanroute)

Als ich Anfang Jänner mit einem Team von SOS Balkanroute nach Bihać aufgebrochen bin, um mir ein Bild von der Situation vor Ort machen zu können, habe ich in vielerlei Hinsicht berührendes erfahren.

Bihać liegt mit 325 km Entfernung etwa gleich nah bei Graz, wie Kitzbühel. Genau genommen sogar näher. Dies nur, um zu veranschaulichen, wo genau sich das Camp Lipa befindet, das im Dezember 2020 zu so trauriger Berühmtheit gelangte.

Wohlformuliert und werbewirksam wurde damals von der Bundesregierung eine Million Euro Soforthilfe zum Wiederaufbau des abgebrannten Lagers zugesagt. Ablass oder Blendgranate? Wohl eine der Weihnachtszeit und dem türkisen Selbstverständnis geschuldete Mischung aus beidem. Die Stadt Bihać trägt eine ganz konkrete Last auf ihren Schultern, die ihr von den Bürokraten der EU aufgeladen und den einzelnen Regierungen aus politischem Kalkül noch erschwert wurde.

Hier soll eine Gemeinde mit etwa 60.000 Einwohnern Probleme lösen, die ganz wo anders entstanden und um einiges komplexer sind, als dass man sie mit Schlagworten lösen könne.

Schließung der Balkanroute klingt am Stammtisch gut, fühlt sich aber gar nicht gut an, bei minus 20 Grad in den bosnischen Bergen.

Dazu muss ich bemerken, dass es zwar anmaßend wäre, auch nur irgendein politisches System der Welt zu beurteilen, wenn man als kritischer Beobachter die Vorgänge im eigenen Land so betrachtet. Dennoch hat Bosnien-Herzegowina als Nachkriegsland mit einer wenig funktionierenden Infrastruktur und einem riesigen Verwaltungsapparat zu kämpfen.

Es ist übrigens sehr leicht zu erkennen, wer diesen Krieg in den Neunzigern gewonnen hat. Überall in der Stadt trifft man auf österreichische Banken und Versicherungen. Und direkt gegenüber der Kirche eine Raiffeisenbank – ganz wie daheim. Während es einem Großteil der Bevölkerung an Notwendigem fehlt.

Wegen Herkunft und Nachnamen bin ich ja sozusagen eine Mischung aus Balkon- und Balkankind. Ich hege also aus mehreren Gründen große Sympathie für die Menschen hier, die Sprache und das Land. Das könnte natürlich auch ein Grund sein, warum ich in allen – nämlich positiven Vorurteilen bestätigt wurde.

Der Großteil der Hilfe vor Ort wird von der Zivilbevölkerung getragen. Diese mutigen und gastfreundlichen Menschen leisten wunderbares. Die Mehrheit: bosnische Frauen. Natürlich besteht mit der Zeit und zunehmenden Massen die Gefahr, dass sich Solidarität und Empathie abnutzen. SOS Balkanroute hat mit Hilfe des Roten Kreuzes zwar eine Küche und Wäscherei aufgebaut, und auch die örtliche Politik versucht, ihren Mitteln entsprechend, zu helfen. Aber auf Dauer braucht es Unterstützung. Das war auch der konkrete Grund meiner Reise nach Bosnien: sich ein Bild machen, in welcher Form die Stadt Graz der Stadt Bihać helfen kann.

Reflexartig kam in der ersten Gemeinderatssitzung des neuen Jahres eine Frage der FPÖ, was denn meine Reise die Stadt Graz bisher gekostet hätte.

Ein berechtigtes Ansinnen, wissen zu wollen, was hier an Steuergeld verbraucht wurde. Und gerade von den Freiheitlichen weiß man, dass sie oft auf öffentliche Gelder schauen. Ob dies immer zum Wohle der Öffentlichkeit geschehen ist, darüber möge sich jeder selbst ein Bild machen. Es hat die Stadt nichts gekostet, darf ich sagen. Ich habe mir das schon selbst bezahlt, habe Mitfahrgelegenheiten genutzt und Dosenbier getrunken, also nicht nur die Steuerzahler sondern auch meine eigene Brieftasche geschont.

Was es aber die Menschenrechtsstadt Graz noch kosten wird und in welcher Form geholfen wird, darüber muss in den entsprechenden Gremien entschieden werden.

Gemeinsam gelebte Solidarität ist jedenfalls sehr schwer in Geld umzurechnen. Aber es gibt schon länger einen Klimawandel, nämlich den vom Mitgefühl zur Gleichgültigkeit. Der ist mindestens genauso gefährlich wie die Erderwärmung (und wird von den gleichen Gruppierungen befeuert und zugleich geleugnet). Dem kann nur die Politik gemeinsam mit der Gesellschaft entgegenwirken. Mit aller Kraft.

Horst Alič 

Veröffentlicht: 14. Februar 2022

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