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"Sternwanderung" der Murkraftwerksgegner am Fr. 4. 12. 09

Was hinter der "sauberen Wasserkraft" von ESTAG und VERBUND steckt

Die geplanten Murkraftwerke bergen viele Gefahren

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Murkraftwerke in der Steiermark werden nicht für die Steirerinnen und Steirer gebaut. Sie werden den Strom nicht billiger machen.

Lobbying im großen Stil betreibt die ESTAG gemeinsam mit dem Verbund, um die Errichtung von insgesamt fünf Murkraftwerken durchzusetzen. In Gössendorf, Kalsdorf, Stübing, Gratkorn und jetzt auch in Graz sollen Staustufen errichtet werden. Um öffentliche Zustimmung zu erlangen, ziehen die Werber alle Register (Heide Bekhit).

Besonders umtriebig gibt sich die ESTAG in Graz. Die „Projektinformation“ für das geplante Grazer Murkraftwerk wird in großem Stil unter die Leute gebracht. Ein „Power-Verkaufs-Team“ klappert die politischen Klubs ab und bewirbt die „saubere Wasserkraft“. Bezirksversammlungen, die normalerweise der Erörterung von Problemen im Bezirk dienen sollten, verkommen zu Propagandaveranstaltungen für das Murkraftwerk. Anträge, dabei auch Murkraftwerksgegner zuzulassen bzw. andere, bezirksrelevante Themen auf die Agenda zu setzen, wie sie beispielsweise KP-Bezirksräte Edeltrud Ulbl-Taschner und Gottfried Stefanecz  im Bezirk Jakomini stellten, werden abgewürgt. Lobbying ist wichtiger – und scheinbar auch von Erfolg gekrönt. Gegen die Stimmen von KPÖ und Grünen wurde bei der letzten Gemeinderatssitzung ein Vertrag zur Ermöglichung von Grundstücksabtretungen für den Kraftwerksbau in Gössendorf  abgesegnet. Somit hat dieses Projekt schon grünes Licht bekommen.

Werbung mit Freizeitfeeling

Saubere Wasserkraft, Attraktivierung des Stadtbildes, Aufwertung des Naherholungsraumes, Energieautarkie aus erneuerbarer Energie, Angebot für Sport und Freizeit, Radwegführung am Wasser usw. versprechen die Kraftwerksmacher. Selbst wer sich für Strombelange nicht wirklich interessiert, aber die Argumente auf sich wirken lässt, fühlt sich unweigerlich in Urlaubsstimmung versetzt und hört zwischen den Zeilen schon die Wellen rauschen. Der Effekt ist durchaus gewollt.

Tatsächlich wird mit diesen Scheinargumenten von einer Reihe von Tatsachen abgelenkt, die eher ein „schmutziges Geschäft“ denn „saubere Energie“ vermuten lassen.

Faulschlamm und Methan

Schon jetzt kann die Mur zwischen Leoben und Spielfeld nur mehr auf 24 km Flussstrecke frei fließen. Schon jetzt gibt es 30 Wasserkraftwerke an der Mur. Nach Realisierung der weiteren fünf geplanten Kraftwerke würde sich der frei fließende Teil der Mur zwischen Leoben und Spielfeld auf gerade einmal 4 km reduzieren. Dadurch würde die Wasserqualität der Mur massiv beeinträchtigt. Mangelnde Fließgeschwindigkeiten, die Ablagerung von organischem Material (Blätter, Gräser, tote Tiere) und zu wenig Sauerstoff im Wasser führen zur Bildung von Faulschlämmen und damit zu einer Beeinträchtigung der Wasserqualität. Vom Murstrand mit Bademöglichkeit wird man wohl nur träumen können. Abgesehen davon sind die Faulgase Methan, Ethan und Lachgas um ein Vielfaches klimaschädlicher als CO2, Methan sogar um das 25fache. Informationen wie diese verschweigt die „Saubere-Energie“-Fraktion gerne.

Verunreinigtes Grundwasser und Fischsterben

Schwankende Wasserspiegel und -temperaturen, zeitweise trocken liegende Flussabschnitte, und plötzliche Strömungen mit hohen Schadstoffeinträgen nach Stauraumspülungen führen zum Fischsterben und verringern den Artenreichtum erfahrungsgemäß um bis zu 75 %.

Wasserkraftwerke wirken sich auch negativ auf den Grundwasserhaushalt aus. Fäkalbakterien können in das Grundwasser eindringen und dieses verunreinigen.

Gechlortes Grazer Trinkwasser?

Das Kraftwerk Stübing sowie das Kraftwerk Gössendorf sollen in unmittelbarer Nähe der Wasseranlagen Friesach bzw. Feldkirchen der Graz AG errichtet werden. Auf die möglichen Gefahren, wie bakteriologische Verseuchung, chemische Verunreinigung durch Schwermetalle, Sauerstoffzehrung und Reduktion der Versorgungssicherheit durch Veränderung des Grundwassers im Bereich der Wasserwerke der Graz AG, haben DI Helmut Nickl, Direktor des Bereichs Wasser in der Graz AG und DI Dr. Harald Schmölzer, Leiter der Prüf- und Überwachungsstelle des Wasserlabors der Graz AG, bereits 2008 in einem Positionspapier hingewiesen. Bedrohliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Grazer Bevölkerung bzw. sogar ein Ausfall der Trinkwasserversorgung der Stadt Graz wären mögliche Folgen. Die Notwendigkeit, dass Wasser künftig auf chemischen oder anderen Wegen aufbereitet werden muss, ist nicht auszuschließen.

Produzieren statt einsparen

Entgegen anderslautender Beteuerungen sind die Stromkonzerne als Kraftwerkserrichter und –betreiber nicht daran interessiert, Strom/Energie zu sparen. Schließlich würde weniger Stromabsatz die Gewinnerwartungen schmälern.

In den letzten Jahren hat der Stromverbrauch in Österreich jährlich um durchschnittlich 2,3 % zugenommen. Das Grazer Murkraftwerk würde nur 1,8 % der benötigten Strommenge produzieren, könnte also nicht einmal die jährliche Verbrauchssteigerung abdecken. Das Stromverbrauchswachstum hätte demnach den Totalausbau der österreichischen Gewässer in nicht einmal 10 Jahren „aufgefressen“. Und was dann?

Öffentliche Förderung – privater Gewinn

Die Wasserkraft wird in Österreich massiv aus öffentlichen Geldern gefördert. Bei der Errichtung der Kraftwerke werden 30% der Kosten gefördert. Die Betreiber von Wasserkraftwerken bekommen einen eigenen Einspeisetarif für sogenannten „Ökostrom“. Schließlich werden für die teilweise Reökologisierung der durch Wasserkraft verursachten Schäden ca. 35% der anfallenden Kosten gefördert. So ist es möglich, dass derartige Projekte für die Betreiber schon recht bald Gewinne abwerfen. Je höher der Privatisierungsgrad der Energiekonzerne, desto mehr öffentliche Mittel fließen in die Hände von Privaten - und kommen für die Allgemeinheit nie wieder zurück. 

„Energie-Autarkie“ auf österreichisch.

Die geplanten Murkraftwerke sollen von der „steirischen“ ESTAG und der „österreichischen“ Verbund-Austrian Hydro Power gemeinsam mit je 50%iger Beteiligung errichtet werden. Doch so „österreichisch“ sind diese Unternehmen gar nicht mehr.

25 % der ESTAG hält derzeit der französische Konzern EdF (Electricite de France). Auch 49% des Verbund-Konzerns gehören schon jetzt der Privatwirtschaft. Und der produzierte Strom? Im Jahr 2008 verkaufte der Verbund 57 % seiner Absatzmengen im Ausland (Verbundgeschäftsbericht 2008, S 55). Die Murkraftwerke sollen also gar nicht in erster Linie den einheimischen Strombedarf decken.

Geld für die Atomkraft

Im August dieses Jahres stockte der Verbund seine Anteile am französischen Energieunternehmen Poweo auf 44,8 Prozent auf. Neuer CEO wurde Loic Caperan, ehemaliger Deputy Managing Director (stellvertretender geschäftsführender Direktor) der EdF. Das Unternehmen Poweo stellt sich selbst als „umweltfreundlichen und unabhängigen Anbieter von Strom und Gas“ dar. Auch auf der Verbund-Website wird Poweo als Betreiberin zahlreicher Wind- und Wasserkraftwerke gerühmt. Das Studium des „Annual Report EdF 2006“ lässt diese Informationen allerdings in einem ganz anderen Licht erscheinen. Ein „Industrial Agreement“ zwischen EdF und Poweo legt fest, dass EdF zwischen 2007 und 2021 Atomstrom an Poweo liefern soll, und zwar „zu Bedingungen, die die Kosten eines nuklearen Entwicklungsplans widerspiegeln“, was bedeutet, dass Verbund und ESTAG diese überhöhten Strompreise mittragen und sich damit indirekt an den Kosten einer Entwicklung und Etablierung von Atomkraftwerken in Frankreich – und nicht nur dort! – beteiligen werden.

Selbstverständlich denkt niemand daran, Strom für die Steirerinnen und Steirer billiger zu verkaufen. In Zeiten der liberalisierten Märkte entsteht der Strompreis an den internationalen Energiebörsen. Energiesicherheit zu vernünftigen Preisen gibt es nicht mehr, selbst, wenn das Kraftwerk vor der eigenen Haustür steht.


Aus dem Grazer Stadtblatt:

Grazer Stadtblatt Sept. 2009 Seite 8

Grazer Stadtblatt Sept. 2009 Seite 9

Die KPÖ unterstützt die Initiativen der Murkraftwerksgegner

Am 4. 12. findet eine Sternwanderung der Murkraftwerksgegner in den Murauen statt. Nähere Informationen können hier abgerufen werden.

Die Website der Kraftwerksgegener:

H2Ö: Stromhandel - warum die Mur zugebaut werden soll

Veröffentlicht: 3. Dezember 2009

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