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Traumziel, ein soziales Graz

Elke Kahr wurde von der Straßenzeitung uhudla interviewt

Ist die Freude über den sensationellen Wahlerfolg der KPÖ in Graz bereits abgeklungen? Über welche Gratulationen hast Du Dich am meisten gefreut?

Wir haben Glückwünsche aus nah und fern bekommen, wenn man die Politik betrachtet vom KLS-Gemeinderat Mahrer in Krems über die Linke Tempelhof-Schöneberg in Berlin bis zum Vorsitzendender Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens, von zahlreichen Menschen aus Graz, ich bin in den ersten Tagen immer wieder auf der Straße angesprochen worden. Ganz besonders gefreut habe ich mich aber über ein Geschenk der Bewohner des Hauses Rankengasse 22. Das ist ein Gemeindebau, bei dem die Caritas das Einweisungsrecht hat. Das sind Menschen, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind. Sie haben für mich ein Gratulationsgeschenk gebastelt.

Worauf führst Du den glänzenden Erfolg in den Gemeinde- und Bezirksratswahlen in Graz zurück?

Entscheidend war die Arbeit in den letzten Jahren. Wir haben das Wohnungsressort nicht schlecht geführt und auch einige Verbesserungen durchgesetzt, darüber hinaus konnten wir sehr vielen Menschen konkret helfen. Und unsere Mandatarinnen und Mandatare waren sehr aktiv und haben oft ganz eng mit Bürgerinitiativen zusammengearbeitet. Beispielhaft dafür möchte ich den Altstadtschutz anführen.
Sehr positiv war auch, dass sich unsere Parteiorganisation in den letzten Jahren politisch gestärkt hat. Wenn ich der Presse gegenüber einmal gesagt habe, dass wir Experten für alle Gebiete haben, dann stimmt das in immer stärkerem Maße. Die Zusammenarbeit mit den Jugendorganisationen, mit dem GLB oder auch dem Zentralverband der Pensionisten und mit Kinderland funktioniert ausgezeichnet.
Den positiven Einfluss unserer Stadtzeitung „Grazer Stadtblatt“ darf man nicht unterschätzen. Wir sind damit viermal pro Jahr mit unseren Vorschlägen und Themen in praktisch jeden Haushalt der Stadt gekommen. Dabei haben wir immer versucht, kein Propagandablatt, sondern eine Zeitschrift mit vielfältigen Inhalten zu gestalten.
Unser Gemeinderatsflugblatt, das wir am Tag nach jeder Sitzung in der Stadt und in Wohngebieten verteilt haben, ist sogar einem Redakteur der „Kleinen Zeitung“ positiv aufgefallen.
Und der Wahlkampf selbst hat mobilisierend bewirkt. Die Losung „Glaubwürdigkeit kann man wählen“ hat gut ausgedrückt, wofür die Grazer KPÖ steht.
Darüber hinaus meine ich, dass unser Wahlerfolg sehr viel mit den Krisenprozessen in unserer Gesellschaftsordnung und in der EU zu tun hat.

Wie groß ist die Zahl der KPÖ-Mandatare aufgrund des Ergebnisses in Gemeinderat und Bezirksvertretungen geworden? Wie viele stellvertretende BezirksvorsteherInnen stellt die Partei?

Wir haben weiterhin einen Sitz im von 9 auf 7 verkleinerten Stadtsenat, ein zweiter Sitz wurde recht knapp verfehlt, die KPÖ hat als zweitstärkste Partei das Vorschlagsrecht für die Funktion der Vizebürgermeisterin.
Die 10 GemeinderätInnen (5 Frauen und 5 Männer) sind eine gute Mischung aus Erfahrung und Verjüngung. Die Bäckerin Martina Thomüller (21) ist die jüngste Mandatarin im neu gewählten Gemeinderat. Auch der Einzug von Christine Braunersreuther in das Stadtparlament bringt eine Premiere. Sie ist nämlich Staatsbürgerin der BRD und hat als EU-Bürgerin das passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen. Die LKH-Betriebsrätin Elke Heinrichs ist nicht Mitglied der KPÖ.
Der Student Robert Krotzer (25) ist ÖH-Mandatar an der KF-Uni Graz. Mit Kurt Luttenberger, BFI-Betriebsrat, hat nach vielen Jahrzehnten wieder ein Arbeiterkammerrat des Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB) Sitz und Stimme im Grazer Gemeinderat.
Auch auf Bezirksebene ist die Grazer KPÖ mit 29 Mandaten jetzt zweitstärkste Kraft. Im Bezirk Gries wurde die relative Mehrheit nur um 14 Stimmen verfehlt. Immerhin gibt es in 12 Stadtbezirken KPÖ-BezirksvorsteherstellvertreterInnen.

Welche Ziele stellst Du Dir bzw. stellt die Partei sich für die bevorstehende Legislaturperiode in Graz?

Was wir im Bereich Wohnen auf jeden Fall brauchen, ist ein Sonderwohnbauprogramm II. Wir haben in der letzten Periode 500 neue Gemeindewohnungen durchgesetzt, das braucht es aber auch in der kommenden Periode. Diese Forderung ist für uns vordringlich und wir werden sie in den Verhandlungen mit den anderen Parteien vehement vertreten. Weiters brauchen wir die Schaffung und dauerhafte finanzielle Absicherung von weiteren Stadtteilzentren nach dem Beispiel der Triestersiedlung. Wir verlangen die Abschaffung der automatischen jährlichen Tarif- und Gebührenerhöhungen. Der Gemeinderat muss wieder ermächtigt werden, selbständig darüber zu entscheiden. Wir sind bereit, über die Arbeit im Amt für Wohnungsangelegenheiten hinaus Gesamtverantwortung für die steirische Landeshauptstadt zu übernehmen und hoffen auf konstruktive Gespräche mit den anderen Stadtsenatsparteien.

Was sagst Du zu den Stimmen in der bürgerlichen Presse, die einerseits vor der angeblich überholten Ideologie der KPÖ warnen und andererseits den Wahlerfolg auf Deine undogmatische soziale Orientierung zu reduzieren trachten?

Im ersten Moment ist man zornig und schockiert, wenn man im „profil“ lesen muss, dass es nicht erlaubt sein sollte, die KPÖ zu wählen, oder wenn uns die Herren Ortner und Unterberger auf eine Stufe mit Neonazis stellen wollen. Hinter diesem antikommunistischen Kreuzzug, den es vor allem in Wiener Medien gibt, steckt der Versuch, eine massenwirksame soziale Alternative zur Politik der Herrschenden im Keim zu ersticken. Denen sind Strache oder Stronach viel lieber.
Fortschrittliche Politik ist aber – und damit komme ich zum zweiten Teil der Frage – weit mehr als das Herunterbeten marxistischer Formeln. Ich halte den Marxismus für die menschlichste Antwort auf viele gesellschaftspolitische Probleme in unserer Welt. Die Leute müssen in ihrem täglichen Leben erkennen, dass wir eine nützliche Partei für die Menschen sind. Und das hat eine große politische Bedeutung. Dass jetzt so viel über positive Reformen des Mietrechts geredet wird, hat auch mit unserem Erfolg in Graz zu tun.

Für welche Projekte ist die KPÖ in Graz zu haben; welche Vorhaben wird sie zu verhindern suchen?

Ein Kautionsfonds der Gemeinde wäre sehr wichtig, wir würden auch eine sozial ausgewogene Entwicklung des Stadtteils „Reininghaus-Gründe“ unterstützen – ein Verkauf der Gemeindewohnungen oder die Privatisierung des LKH-West würden auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen.

Welches Ziel für die Grazer Bevölkerung brennt Dir und der Partei besonders auf den Nägeln?

Graz hat so viele Titel angehäuft, von der Menschenrechtsstadt bis zur Kulturhauptstadt Europas. Ich träume davon, dass Graz eines Tage zur sozialen Musterstadt in Österreich wird.

Gibt es eine Botschaft, die Du über den Uhudla linken ÖsterreicherInnen übermitteln willst?

Schimpft nicht über das „blöde Volk“. Es gibt so viele Menschen neben Euch, die über die wichtigsten Fragen ähnlich denken wie Ihr. Habt keine Scheu vor den Leuten. Versucht, an Ort und Stelle – in der Gemeinde oder im Betrieb – gemeinsam mit ihnen für konkrete und soziale Ziele zu kämpfen.
Damit tragt ihr am besten dazu bei, dass sich in Österreich endlich einmal etwas zum Positiven ändert.

(Quelle: uhudla Nr. 98. Jänner 2013)

Veröffentlicht: 7. Januar 2013

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