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„Elke Kahr: Beim Verkehr ist einiges gelungen und wir haben noch viel vor“

Bud­get­re­de von Verkehrsstadträtin Elke Kahr

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Über Verkehrsberuhigung und Radverkehr, grüne Akzente, Öffitarife und neue Mobilitäts- und Logistikansätze, spricht Elke Kahr in ihrer Budgetrede.

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Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
geschätzte Stadtrats- und GemeinderatskollegInnen!

Covid-19 und unsere Bemühungen, das Virus in seinen Auswirkungen auf die Gesundheit, auf unser gesamtes gesellschaftliches Zusammenleben in den Griff zu bekommen, haben das letzte dreiviertel Jahr in beispielloser Weise geprägt. Existenzielle Fragen wie die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung, der Erhalt des Arbeitsplatzes, die Sicherung der Wohnung, das Offenhalten der Bildungseinrichtungen und das Überleben von Betrieben standen im Vordergrund. Logisch, dass da in der öffentlichen Wahrnehmung andere Fragen wie die des Verkehrs in den Hintergrund getreten sind. Sie sind deshalb auf Sicht aber nicht weniger wichtig geworden.

Auch beim Verkehr gab es Einschnitte, hervorgerufen durch die pandemiebedingte Verhaltensänderung: Grosso modo kam es zu einer Verlagerung vom Kollektivverkehr zum Individualverkehr, während der öffentliche Verkehr Rückgänge zu verzeichnen hatte, wurden im Sommer ein Drittel mehr RadfahrerInnen registriert, aber auch die Autonutzung ist nach einem starken Rückgang in der Phase des ersten Lockdowns wieder angestiegen. Gerade im öffentlichen Verkehr, namentlich für die Graz Linien, war und ist die Situation eine besonders schwierige: hier müssen täglich Dienstleistungen geplant werden, zwischen zuerst gesunkener und spätestens mit Schulstart wieder gestiegener Nachfrage, unter Berücksichtigung der Schutz- und Abstandsregeln und mit hoher Verantwortung für das eigene Personal. Dafür darf ich allen damit Befassten und jenen, die auf der Straße dafür sorgen, namentlich den Fahrerinnen und Fahrern der Busse und Straßenbahnen, dass dieser wichtige Bestandteil öffentlichen Daseinsvorsorge auch in der Krise weiter zur Verfügung steht, herzlich danken!

Es braucht jetzt alle Anstrengungen, das Vertrauen in die Öffis und ihr Angebot wieder voll herzustellen, sie auch für jene Kreise leistbar zu halten, die wenig haben und nun noch einmal hart getroffen wurden.“ — Verkehrsstadträtin Elke Kahr, KPÖ

Um hier die Fahrgäste wieder in die Öffis zurückzuholen, wurden schon einige Anreize gesetzt, etwa der Nulltarif am Samstag oder die 10-prozentige Ermäßigung bei den Jahreskarten. In diesem Zusammenhang darf ich erneut an die Finanzreferenten von Stadt und Land appellieren, dieser besonderen Situation auch dadurch Rechnung zu tragen, dass im kommenden Jahr 2021 am 1. Juli – entgegen der mittlerweile langjährigen Routine – keine Erhöhung der Ticketpreise stattfinden wird.

Es braucht jetzt alle Anstrengungen, das Vertrauen in die Öffis und ihr Angebot wieder voll herzustellen, sie auch für jene Kreise leistbar zu halten, die wenig haben und nun noch einmal hart getroffen wurden. Gerade sie dürfen wir in der Krise nicht zurücklassen, auch was den Zugang zur Mobilität betrifft.

Fragen der Verkehrsberuhigung sind – sieht man die Resonanz und die Wünsche aus der Bevölkerung – sicher ganz oben auf der Themenliste.“ — Elke Kahr

Trotz der erschwerten Bedingungen sind wir bis jetzt auf Kurs, was unser Ziel betrifft, den öffentlichen Verkehr auszubauen und das Angebot attraktiver zu machen. Im November kommenden Jahres werden 2 neue Tram-Linien fahren und ich bin zuversichtlich, dass auch die so wichtige Innenstadtentflechtung wie geplant 2024 in Betrieb gehen wird, nachdem wir eine gute Lösung für die Tegetthoffbrücke gefunden haben; und mit zeitgerecht angeschafften 15 neuen, hochmodernen Straßenbahn-Wagen, die wir dann für das neue Betriebskonzept mit noch besserem Angebot und dichteren Takten brauchen.

Dass wir gerade die neue Straßenbahnlinie durch die Neutorgasse als Chance nutzen, in diesem Teil des Stadtkerns neue Wege der Verkehrsorganisation zu gehen, halte ich für wichtig; die Verkehrsplanung hat hier gemeinsam mit der Baudirektion das Verkehrskonzept „Innenstadt West“ beauftragt, um die Möglichkeiten der alternativen Nutzung und Gestaltung des Straßenraums auszuloten und planerisch vorzuschlagen. Die Ansprüche für den Radverkehr – Stichwort Entlastung Schmiedgasse, Ringradweg – gehören da ebenso berücksichtigt wie Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung z.B. durch Begegnungszonen und damit verbunden die Hebung der Aufenthalts- und Lebensqualität, wobei die Interessen der hier lebenden BewohnerInnen keinesfalls zu kurz kommen dürfen. Damit meine ich auch die Parksituation, die beispielsweise mit Einführung eines Anwohnerparkens abgemildert werden könnte, und ich plädiere dafür, das in einem Testbetrieb zu erproben.

Fragen der Verkehrsberuhigung sind, sieht man die Resonanz und die Wünsche aus der Bevölkerung, sicher ganz oben auf der Themenliste: Unsere Verkehrsplanung ist derzeit dabei, ein BegegnungszonenKonzept flächendeckend für Graz zu erstellen, also anzuschauen, wo dieses Instrument der Verkehrsberuhigung Sinn macht – ergänzend zu anderen Möglichkeiten wie Wohnstraßen oder Fußgängerzonen, aber auch Fahrradstraßen, wie heuer die erste in Graz realisiert worden ist und wie sie – nach einer angekündigten StVO-Novelle – hoffentlich bald leichter und zahlreicher umgesetzt werden kann.

Umgesetzt wird im kommenden Frühjahr die Fußgänger- und Begegnungszone Lendplatz Süd, worauf ich mich sehr freue: mittels baulich sparsamem Eingriff wird es eine schöne Gestaltung mit mehr Grün und mehr Platz für FußgängerInnen und RadfahrerInnen geben. Bereiche zum Verweilen, zum einander Treffen – zumindest wenn Corona vorbei ist –, Qualitäten, die auch konsumfrei zu genießen sein sollen. Mein Wunsch ist es auch, im Anschluss nach ähnlichem Muster die Zinzendorfgasse als Begegnungszone zu attraktivieren.

Auch der Ortweinplatz, der gerade eine Verwandlung vom Parkplatz zum Park im eigentlich Sinn erfährt, soll im kommenden Jahr neu gestaltet werden. Ebenso ist geplant, die Münzgrabenstraße im mittleren Teil (Hafnerriegel–Moserhofgasse) im Zuge der Errichtung einer neuen Tram-Haltestelle Münzgrabenkirche und des erforderlichen Schienentausches als „grüne Achse“ mit Bäumen aufzuwerten. Wobei ich an dieser Stelle anmerken möchte, dass generell bei Neueinrichtung von Haltestellen wo möglich Baumpflanzungen von uns berücksichtigt werden.

„Bim, Bus und S-Bahn tragen im Großraum Graz den öffentlichen Personennahverkehr.“ — Elke Kahr

Mit den neuen Linien 4 und 6 nach Reininghaus und Smartcity sowie 13 und 17 über die Neutorgasse ist ein wichtiger Etappensieg für den öffentlichen Verkehr mit der Straßenbahn als Rückgrat errungen worden. Doch schon jetzt gilt es, ganz im Sinne des Grundsatzbeschlusses zum Netzausbau 2023+ vom November 2019, die nächste Etappe mit Südwest- und Nordwest-Linie sowie dem neuen „Zweier“ zwischen Hauptbahnhof und Uni/LKH vorzubereiten.

Erste Schritte wurden bereits eingeleitet mit der Planung Griesplatz Süd, wo die Trassenführung über den Citypark Richtung Don Bosco untersucht wird. Parallel werden – gemeinsam mit dem Land – verbesserte Anbindungen in die Region weiterentwickelt, v.a. über eine Aufwertung der S-Bahn. Hier ist noch viel Luft nach oben, wie uns der Schweizer ÖV-Experte Willi Hüsler versichert hat, der uns auch in dieser Frage planerisch unterstützt. Das Land war schon bisher wichtiger Partner, um die neuen Tram-Linien auf Schiene zu bringen, in der Planung und auch bei den Investitionskosten; nun muss noch der Bund zur Mitfinanzierung an Bord geholt werden. Bim, Bus und S-Bahn tragen im Großraum Graz den öffentlichen Personennahverkehr – mit einigem Ausbaupotenzial, wie ich mit Überzeugung betonen möchte.

Dabei gibt es immer besser angenommene zusätzliche Angebote, die zum erweiterten ÖV zählen: So hat sich – trotz Corona – das Carsharing-Modell „tim“ der Holding Graz Linien sehr positiv entwickelt, ein österreichweites Vorzeige- Modell, mit dem die ehem. GVB auf dem Weg zum umfassenden Mobilitätsdienstleister sind. Erst dieser Tage wurde am Eisernen Tor der 10. multimodale Knoten – also ein Verknüpfungspunkt des ÖV mit Carsharing, auch elektrisch - eröffnet, noch heuer soll ein weiterer am Griesplatz folgen. Wenn man bedenkt, dass durch 1 Carsharing-Auto 23 private Pkw ersetzt oder nicht nachbeschafft werden, sieht man hier die zukunftsweisende Rolle in der urbanen Mobilität, die auch künftig nicht autofrei sein, aber mit weniger Autos auskommen wird.

Ebenfalls zum erweiterten ÖV-Angebot zählt das Anruf-Sammeltaxi-System GUSTmobil, das seit einem Jahr dort Zubringerdienste leistet, wo die ÖV-Linien nicht hinkommen. Es freut mich, dass auch hier aktuell Verbesserungen erzielt wurden, etwa durch die Einbeziehung der Seniorenwohnanlage Körblergasse oder dass auch bei GUSTmobil der Gratis-Samstag eingeführt werden konnte.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, schon in der Vergangenheit war Graz eine Fahrradstadt. Dieser Trend hat sich verstärkt, sodass der Anteil der mit dem Rad zurückgelegten Wege heute schon fast 20 Prozent beträgt. Graz wird künftig noch stärker Fahrradstadt sein, wenn die Radoffensive, für die ja bis 2030 von Land und Stadt 100 Mio. Euro angekündigt wurden, umgesetzt wird.

In Graz sind momentan 5 Sektorenplaner an der Arbeit, um ausgehend von der Radnetzstudie des Landes, Radverkehrsverbindungen mit neuer Qualität auszuarbeiten. Dass es noch ein hartes Stück Arbeit ist, diese Pläne auf den Boden, sprich in Umsetzung zu bringen, soll nicht verhehlt werden, soll aber diese Bestrebungen nicht bremsen. Aus Sicht der städtischen Verkehrsplanung ist es erfreulicherweise gelungen, gerade für den Bereich des Radverkehrs einige Kollegen und Kolleginnen zusätzlich ins Team zu bekommen, sodass der Radverkehrsbeauftragte nunmehr kein „Solist“ mehr ist.

Eine problematische Facette, die massiv auf den Verkehr zurückwirkt – und zwar auf den fließenden wie den ruhenden – ist der ungebremste Bauboom.“ — Elke Kahr

Eine problematische Facette, die massiv auf den Verkehr zurückwirkt, und zwar auf den fließenden wie den ruhenden, ist der ungebremste Bauboom. Diese Entwicklung befeuert weiter die Bodenversiegelung und ist verbunden mit einem ständigen Ringen um Grünflächen, Ruhezonen und Erlebensraum für Kinder und alte Menschen. Auch wenn bei Neubauprojekten parallel zu Bebauungsplänen Mobilitätsverträge abgeschlossen werden, die Alternativen zum eigenen Auto stark fördern, auch wenn wir uns als Stadt bemühen, mit neuen, nachhaltigen Logistik-Projekten und – wie bereits erwähnt – mit intelligenten Mobilitätsangeboten neue Impulse zu setzen: das Problem wachsende Verkehrsbelastung ist evident und erfährt durch die rund 80.000 EinpendlerInnen am Tag eine Verschärfung.

Es gibt Ausnahmen wie Reininghaus, wo in einem Guss und weitgehend abgestimmt vorgegangen worden ist, aber selbst hier zeigen sich Konfliktlinien wie bei der Verlängerung der Josef-Huber-Gasse und die Auswirkungen des KFZ-Mehrverkehrs auf den Bezirk Gries. Fehlende Gehsteige, Querungen, lückenhafte und nicht mehr zeitgemäße Radwege, zu viel und zu schneller KFZ-Verkehr, wachsender Parkplatzdruck – das sind die Probleme und Sorgen, mit denen wir seitens der Grazer Bevölkerung tagtäglich befasst sind.

In meinen Augen ist das Maß voll und alle Verantwortlichen müssen sich die Frage gefallen lassen, ob hier nicht im Sinne einer gesunden Stadtentwicklung den Investoren, Projektentwicklern und Anlegern deutlichere Grenzen aufgezeigt werden müssen. Die Frage ist zu stellen, ob wir nicht innehalten sollten, um mit der immer hinterherhinkenden Infrastruktur nachzukommen und über die Verteilung der Straße auch als lebenswerter Raum für die hier wohnenden und arbeitenden Menschen neu zu verhandeln.

Wenn schon der Autoverkehr wächst und nicht auf den Umweltverbund umgeleitet werden kann, dann soll er wenigstens in geordneten Bahnen und mit Rücksicht auf die anderen und vor allem die Anwohnenden stattfinden.“ — Elke Kahr

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, letztlich steht für mich das Thema Sicherheit und von gegenseitigem Respekt getragene Zusammenleben im Straßenraum ganz oben auf der Agenda. Meine Art ist es, auf Aufklärung und Bewusstseinsbildung zu setzen, ich bin auch für Kontrolle und Überwachung, um für die Einhaltung der Regeln zu sorgen, weil wir insbesondere die Verantwortung gegenüber den Schwächeren und ungeschützten VerkehrsteilnehmerInnen wahrnehmen müssen.

Hier gibt es in den Abteilungen ein großes Engagement mit dem Ziel, die Verkehrssicherheit voran zu stellen und die sanfte Mobilität zu fördern; vom Radfahrtraining in den Schulen oder dem E-BikeTraining für Senioren bis zu Bewusstseinskampagnen mit dem KFV, aber auch die stadteigene Überwachung des rd. 800 km langen Tempo-30-Netzes, das durch mobile und seit Sommer vorigen Jahres auch durch fixe Radargeräte erfolgt.

Wenn schon der Autoverkehr wächst und nicht samt und sonders auf den Umweltverbund umgeleitet werden kann, dann soll dieser wenigstens in geordneten Bahnen und mit Rücksicht auf die anderen und vor allem die Anwohnenden stattfinden.

Im Verkehrsressort geht es nicht Wohlfühl-Themen.“ — Elke Kahr

Geschätzte KollegInnen, ich bin jetzt über dreieinhalb Jahre in der Stadtregierung für den Verkehr zuständig. Ich weiß mittlerweile ganz gut Bescheid, wie komplex und herausfordernd dieser Bereich ist. Es ist uns einiges gelungen, vor allem beim öffentlichen Verkehr, aber auch bei Vorhaben zur Verkehrsberuhigung und Verkehrssicherheit, beim Radverkehr und beim Voranbringen zukunftsweisender Mobilitätsalternativen.

Tatsächlich geht es im Verkehrsressort bei weitem nicht nur um Wohlfühl-Themen. Es geht letztlich darum, wie überall, die Sorgen und Probleme der Menschen ernst zu nehmen und gemeinsam mit Fachleuten Lösungen an Verbesserungen in ihrem Sinne und im Interesse des Gemeinwohls zu erarbeiten. Um was weiterzubringen, müssen alle an einem Strang ziehen – die Politik in Regierung, Gemeinderat und in den Bezirken, die Verwaltung mit ihren Abteilungen, Ämtern und Dienststellen, und zwar gemeinsam mit Exekutive, Wissenschaft und NGOs.

So möchte ich abschließend in der letzten Budgetsitzung dieser Gemeinderatsperiode nochmals ein großes Danke sagen an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der mir zugeordneten Bereiche des Hauses Graz, beim Straßenamt unter der Leitung von Thomas Fischer, bei der Abteilung für Verkehrsplanung mit Wolfgang Feigl und seinem Team sowie bei allen Beschäftigten der Holding Graz Linien und der Holding Graz Stadtraum. Und besonders bei meinem großartigen Team im Stadtratsbüro.

Veröffentlicht: 9. November 2020

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