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Wie Kurt Palm die Volkshaus-Redoute gesehen hat

Kolumne im Standard , 3. 2. 07

00:00 MEZ

Kurt Palm
der schönste Tag der Woche: Ballgeschichten
...das Motto des Abends: "... das Märchen geht weiter" hätte so gut zu unserem neuen Bundeskanzler gepasst...

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Seit ich am vergangenen Samstag im Grazer Volkshaus die "Redoute für Rosalie" moderiert habe, weiß ich, wie sich Roy Black am Ende seiner Karriere gefühlt haben muss. In meinem Fall heiligte aber der Zweck die Mittel, da es sich beim "Haus Rosalie" um kein zwielichtiges Etablissement aus dem Rotlichtmilieu handelt, sondern um eine Notschlafstelle für obdachlose Frauen.

Als Moderator hat man es auf einer solchen Redoute natürlich schwer, denn wenn man nach einem L’amour-Hatscher wie "Spanish Eyes" – (Sie erinnern sich: Al Martino 1965) – zum Mikrofon greift, steht man praktisch schon auf verlorenem Posten.

Was soll man eng umschlungenen Pärchen, die sich auf der Tanzfläche tief in ihre – in diesem Fall – "Styrian Eyes" schauen, schon viel erzählen? Soll ich ihnen erzählen, dass es der Bundeskanzler vorgezogen hat, den Grazer Opernball doch nicht zu besuchen, weil er seit seiner Angelobung grundsätzlich nicht mehr ins Theater geht? Der Grund: Gusenbauer kann die Frage der Billeteure – "Haben Sie schon ein Programm?" – einfach nicht mehr hören.

Dabei hätte das Motto des Abends: "... das Märchen geht weiter" so gut zu unserem Bundeskanzler gepasst, der als Märchenerzähler zurzeit ja einsame Spitze ist. Möglich wäre natürlich auch, dass Gusenbauer nach einer mehrwöchigen Kholsuppendiät (schon wieder so eine Verbeugung vor der ÖVP) große Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen meidet, da dieses Gemüse bekanntlich zu sehr starken Blähungen führt. Oder soll ich den Leuten erzählen, dass sich die Headline einer Tageszeitung: "Österreichs strengst kontrollierte Schweine mit vorbildlichem Gesundheitszustand" definitiv nicht auf heimische Politiker bezieht, weil die sich ja bekanntlich von niemandem kontrollieren lassen?

Das funktioniert nicht einmal auf einer Redoute, bei der die Kommunisten die absolute Mehrheit haben. Diese wollen bei so einer Feier – und Grund zum Feiern haben sie ohnehin nicht oft – eher darin bestärkt werden, dass der Kater am nächsten Tag politisch korrekt ist, weil das Trinken ja einem guten Zweck dient. Etwa nach dem Motto: "Ja, warum nicht lustig sein, Whiskey trinken, Bier und Wein."

Dieser Spruch stammt von James Joyce, der am 2. Februar 1882, also fast auf den Tag genau vor 125 Jahren, in Rathgar (Dublin) geboren wurde und der nicht nur in Finnegans Wake, sondern auch im Ulysses diverse Bezüge zur Steiermark hergestellt hat. Während er in Finnegans Wake der Stadt Graz ein – wenn auch kaum sichtbares – Denkmal gesetzt hat, hat er im Ulysses ausgerechnet Mürzsteg zu weltliterarischen Ehren verholfen.

Dass Joyce diesen Ort irrtümlicherweise nach Niederösterreich verlegt hat, ignorieren wir einfach. Nicht ignorieren wollen wir aber, dass bei der "Redoute für Rosalie" 2000 Euro für obdachlose Frauen gespendet wurden. "Thank you very much!" (Ulysses, Seite 152, Zeile 28) (Kurt Palm / ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 03./04.02.2007)

Veröffentlicht: 3. Februar 2007

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