Landtagssitzung 2. April 2019

Verbesserung des psychosozialen Angebots für Kinder und Jugendliche

Unselbstständiger Entschließungsantrag (§ 51 GeoLT) (Ablehnung durch SP, VP)

Außerstationäre Wohneinrichtungen für psychisch kranke Kinder und Jugendliche sind in der Steiermark Mangelware. Schon bei den sozialpädagogischen Wohnplätzen ist die Steiermark mit 21,3 Plätzen pro 10.000 EinwohnerInnen Schlusslicht in Österreich. Doch für Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen braucht es sozialtherapeutische Wohneinrichtungen, die speziell auf diese Erkrankungen ausgerichtet sind und dementsprechend auch unterschiedliche therapeutische Angebote mit multidisziplinären Betreuungsteams vorhalten. Und auch hier liegt die Steiermark laut einer Studie der Gesundheit Österreich GmbH und des Österr. Bundesinstitut für Gesundheitswesen (GÖG/ÖBIG, Außerstationäre psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen, 2013) österreichweit an letzter Stelle: In der ganzen Steiermark existieren laut der zitierten Studie gerade einmal 12 Wohnplätze für psychisch kranke Kinder und Jugendliche. Das sind 0,5 Wohnplätze pro 10.000 EinwohnerInnen. Oberösterreich, das von Größe und EinwohnerInnenzahl mit der Steiermark vergleichbar ist, hat demgegenüber 143 sozialtherapeutische Wohnplätze für Kinder und Jugendliche.

Dass der Bedarf dringend gegeben ist, ist unter Fachleuten unbestritten. Geht man doch davon aus, dass etwa 10 Prozent der Kinder und Jugendlichen von einer behandlungsbedürftigen psychiatrischen Störung im engeren Sinne betroffen sind. Von diesen benötigt natürlich nur ein Bruchteil tatsächlich einen außerfamiliären Wohnplatz - ExpertInnen gehen von einem Richtwert von 3 bis 5 Wohnplätzen pro 10.000 Kindern und Jugendlichen aus. In der Praxis stellt sich meist heraus, dass sozialpädagogische Einrichtungen mit der Betreuung dieser Kinder und Jugendlichen überfordert sind.

Auch die Volksanwaltschaft hat kürzlich darauf hingewiesen, dass in der Steiermark flächendeckende sozialtherapeutische und sozialpsychiatrische Angebote fehlen. Unterschieden werden Kinder- und Jugendwohngruppen, sozialpädagogische Wohngemeinschaften für Kinder und Jugendliche, Wohngemeinschaften für Mütter mit Kindern und familienähnliche Wohngemeinschaften.

Die Kinder- und Jugendwohngruppen betreuen Kinder von 5 bis 15 Jahren. Ausschließungsgründe für eine Aufnahme sind körperliche oder geistige Beeinträchtigung, wenn spezielle Förderung und Betreuung benötigt wird, selbst- und fremdgefährdende Gewaltbereitschaft und akute Alkohol- und/ oder Drogen- bzw. Medikamentenproblematik, die eine nicht kontrollierbare Selbst-und Fremdgefährdung beinhaltet. Der Personalbedarf ist mit 50 % Dienstposten pro Kind inklusive Leitung umschrieben. Die Einrichtungen können 13 Kinder und Jugendliche aufnehmen. In Wien und Salzburg sind nur 8 Kinder pro Gruppe erlaubt. Das Burgenland wird die Gruppengröße ebenfalls auf 10 Kinder reduzieren. So große Gruppengrößen wie in der Steiermark widersprechen laut Volksanwaltschaft den Erkenntnissen der modernen Sozialpädagogik und zeitgemäßen Standards der Fremdunterbringung. Die menschenrechtliche Gewährleistungspflicht in Bezug auf Minderjährige in der Fremdunterbringung erfordere eine Reduzierung der Gruppengröße zumindest auf ein Maß, das Bedingungen für eine fordernde und fördernde Pädagogik schafft.

In den sozialpädagogischen Wohngemeinschaften für Kinder und Jugendliche werden Kinder von 10 bis 18 Jahren aufgenommen. Ausgeschlossen sind Kinder und Jugendliche, die aufgrund einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung spezielle Förderung und Betreuung benötigen, Minderjährige mit Suizidproblematik, mit selbst- und fremdgefährdender Gewaltbereitschaft, mit akuter Alkohol- und oder Drogen- bzw. Medikamentenproblematik, die eine nicht kontrollierbare Selbst- und Fremdgefährdung beinhaltet. Die Gruppengröße ist mit 9 Kindern und Jugendlichen beschränkt. Der Personalbedarf beträgt 65,5 % Dienstposten pro Kind und Jugendlichen inklusive Leitung.

Daneben gibt es noch familienähnliche Wohngemeinschaften. Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 10 Jahren zum Zeitpunkt der Aufnahme. Der Aufenthalt kann bis zum 21.Lebensjahr verlängert werden. Ausgeschlossen sind Kinder und Jugendliche mit Problemen, die für das familiäre System eine nicht bewältigbare Überforderung darstellen, Kinder und Jugendliche, die aufgrund einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung spezielle Förderung und Betreuung benötigen und Kinder und Jugendliche mit akuter Alkohol- und oder Drogen- bzw. Medikamentenproblematik, die eine nicht kontrollierbare Selbst- und Fremdgefährdung beinhaltet. Es dürfen in dieser Einrichtung maximal sieben Kinder oder Jugendliche betreut werden. Der Personalbedarf beträgt 23 % Dienstposten pro betreutes Kind.

Die Volksanwaltschaft kritisiert, dass es in der Altersgruppe bis zehn Jahre keine Möglichkeit der Unterbringung in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft mit höherem Betreuungsschlüssel und kleinerer Gruppengröße gibt. Wie die Volksanwaltschaft beobachtete, würden viele der dort untergebrachten Kinder im Volksschulalter aufgrund ihrer Traumatisierungen mehr Betreuung benötigen, als ihnen in einer Gruppe mit 13 Kindern geboten werden kann. 2013 wurden sechs stationäre Plätze in einer WG mit traumapädagogischem Schwerpunkt geschaffen, die im Rahmen eines Sondervertrages eingerichtet sind. Dieses Angebot reicht allerdings bei weitem nicht aus. Durch das fehlende sozialpädagogische Angebot für unter 10-Jährige und den Mangel an speziellen Betreuungsplätzen in der Steiermark muss die Kinder-und Jugendhilfe auf Plätze in anderen Bundesländern zurückgreifen.

Große Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt es bei den gesetzlichen Erfordernissen für die Ausbildung des sozialpädagogischen Personals, obwohl ein besonderer Schwerpunkt des B-KJHG 2013 die weitere Professionalisierung der Fachkräfte war. Für die Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe dürfen nach der Intention des Gesetzgebers nur noch ausgebildete und persönlich geeignete Fachkräfte, insbesondere aus den Bereichen Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Psychologie und Psychotherapie herangezogen werden. In der Steiermark ist eine berufsbegleitende Ausbildung möglich, wobei zwei Drittel der Ausbildung abgeschlossen sein müssen. Die Volksanwaltschaft kritisiert in ihrem Bericht, dass bis zu 30 % des Personals einer Wohngruppe ohne abgeschlossene Ausbildung arbeiten dürfen und diese Regelung auch für sozialpädagogische Wohngemeinschaften gilt.

Nun liegt dem Landtag der Bericht des Rechnungshofes zum psychosozialen Angebot in der Steiermark vor. Der Rechnungshof kritisiert darin ebenfalls das mangelnde Angebot und die mangelnde Steuerung des Landes Steiermark, das im Gegensatz zum Bundesland Salzburg die Versorgung über private Vereine abwickelt (S. 9). Auch im RSG 2025 werden keine Planungsaussagen zur psychosozialen mobilen Betreuung oder psychosozialen Wohnangeboten getroffen (S. 19). Eine auf die strategischen Ziele ausgerichtete konkrete Angebotsplanung erfolgt in der Steiermark bislang nicht (S. 19).

     
     

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert, die Ergebnisse des vorliegenden Berichts des Rechnungshofes zu berücksichtigen und daher

  1. das Angebot an sozialtherapeutischen Wohnplätzen für psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche in der Steiermark deutlich zu erhöhen,
  2. in sozialpädagogischen Einrichtungen zur vollen Erziehung die Gruppengrößen abzusenken und den Personalschlüssel im Sinne einer Qualitätsverbesserung des Betreuungsverhältnisses anzuheben,
  3. für Kinder unter 10 Jahren mit speziellem Betreuungsbedarf (Traumatisierung, Gewalterfahrung, Eigen- oder Fremdgefährdung) ein ausreichendes Ausmaß an Betreuungsplätzen mit speziellen traumapädagogischem Schwerpunkt und intensiver Betreuungsmöglichkeit (kleine Gruppen, hoher Betreuungsschlüssel) zu schaffen und
  4. den geforderten Ausbildungsstand des sozialpädagogischen Personals anzuheben und den Prozentsatz des Personals ohne abgeschlossene Ausbildung in Einrichtungen der vollen Erziehung abzusenken.

Wegfall von Wohnunterstützung und Heizkostenzuschuss durch „Sozialhilfe neu“

Unselbstständiger Entschließungsantrag (§ 51 GeoLT) (Ablehnung durch SP, VP, FP)

Nach dem derzeit vorliegenden Entwurf für die „Sozialhilfe neu“, welche die bisherige Mindestsicherung ablösen und mit 1. Jänner 2020 in Kraft treten soll, ist eine Auszahlung von Wohnunterstützung und Heizkostenzuschuss an Personen, die die neue Sozialhilfe beziehen, nicht mehr möglich bzw. reduziert sich die Sozialhilfe um jenen Betrag, den die Wohnunterstützung oder der Heizkostenzuschuss ausmacht.

Das bedeutet, dass beispielsweise Menschen, die im Pensionsalter sind, aber zu wenige Versicherungsjahre haben und deshalb Mindestsicherung anstelle einer Pension beziehen, monatlich über 140 Euro verlieren und folglich Gefahr laufen, ihre Wohnung nicht mehr finanzieren zu können.

Der steirische Armutsbericht 2017 weist darauf hin, dass durch die steigenden Wohnkosten die „sichere“ Wohnversorgung von immer größeren Gruppen fraglich wird. Der de-facto-Wegfall von Wohnunterstützung und Heizkostenzuschuss für Menschen, die die „Sozialhilfe neu“ beziehen, würde diese Entwicklung massiv verstärken.

Gestrichen wird auch der 13. und 14. Monatsbezug der Mindestsicherung für Kinder und Jugendliche in der Steiermark. Dieser wird durch ein Landesgesetz geregelt. Bedürftigen jungen Menschen wurde die Beihilfe bisher 14 Mal gewährt. Dies ist eine der letzten verbleibenden Maßnahme gegen Kinderarmut. Das Bundesgesetz untersagt den Ländern künftig die Möglichkeit, Kindern die Leistung öfter als zwölf Mal auszuzahlen.

 

Es kann nicht im Interesse des Landes Steiermark liegen, dass Menschen, die auf Mindestsicherung angewiesen sind und dafür auch ihre Bedürftigkeit nachweisen müssen, in die Obdachlosigkeit gedrängt werden.

     
     

Es wird daher der

Antrag

gestellt:

Der Landtag wolle beschließen:

Der Landtag Steiermark spricht sich gegen alle Regelungen im Entwurf des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes aus, durch die der zusätzliche Bezug von Leistungen aufgrund landesgesetzlicher Regelungen, wie der Wohnunterstützung oder des Heizkostenzuschusses, nicht mehr möglich ist, da diese Leistungen von der auszuzahlenden Sozialhilfe künftig in Abzug zu bringen sind.

Veröffentlicht: 2. April 2019

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